Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,
Cottbus spricht miteinander, Cottbuser hören sich zu – das ist die Botschaft des heutigen Tages.
Wir fangen damit nicht erst heute an und hören auch heute nicht wieder damit auf. Nein, die Debatten über unsere Stadt und ihre aktuelle Entwicklung laufen schon lange. Wir führen sie fort – und wer-den künftig andere, ergänzende Formen dafür finden.
Es wurde bisher nicht geschwiegen, auch wenn sich der eine oder andere sprachlos fühlt. Und wir waren vielleicht nicht ganz so laut wie jene, die gern über uns Cottbuser statt mit uns Cottbusern geredet haben. Zugegeben: Da ist manch bedenkenswerter und wahrer Satz gefallen, aber eben auch sehr viel Unsinn und noch mehr Unwahrheit über die Menschen und die Situation in unserer Stadt gesprochen und berichtet worden. Über viele Monate haben wir hart dafür gearbeitet, dass unsere Stadt funktioniert, dass weitgehend sozialer Frieden herrscht und dass Gewalt uns nicht beherrschen darf. Deshalb ist es gut, wenn wir Cottbuserinnen und Cottbuser uns jetzt gemeinsam mehr Gehör verschaffen. Gehör verschaffen heißt aber nicht: Krawall schlagen.
Es darf jedoch der Fehler nicht passieren, dass die kommenden Gespräche zwischen „die da“ und „wir hier“ eingeteilt werden. Es sollen Cottbuserinnen und Cottbuser mit Cottbuserinnen und Cottbusern sprechen. Wir wollen uns zuhören und jeden ausreden lassen. Man sollte unserer Stadt von außen auch keine Spaltung einreden – die Bewohner von Cottbus sind sich einig in der Sorge, dass vielen Menschen das Vertrauen in das staatliche Handeln verloren gegangen ist und manche Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen.
Wir wollen heute und in den kommenden Wochen nochmals deutlich machen, wofür der Bund, das Land und wofür wir, die Stadt, Verantwortung tragen und wer wo handeln muss.
Vieles heute erinnert an 1988 oder 1989. Ich war damals als NVA-Angehöriger in Leipzig im Kontakt mit den Initiatoren der Friedensgebete und der Treffen in der Nikolaikirche in Leipzig. Da habe ich bestätigt gefunden: Ein Staat hat ein Riesenproblem, wenn ihm die Leute davonlaufen oder das Vertrauen in seine Arbeit, in sein Handeln verloren geht. Damals gab es Leute, die, als das großen Mut erforderte, riefen: Wir sind das Volk. Viele Menschen fühlen sich heute nicht verstanden, viele abgekoppelt, viele nicht wahr-, mancher nicht für voll genommen. Das sollte jedem zu denken geben.
Es darf jedoch keinen Alleinvertretungsanspruch geben – weder hat jemand die Wahrheit gepachtet, noch spricht irgendjemand allein und ausschließlich fürs Volk. Das erhebt seine Stimme schon, wenn es ihm zu bunt wird...
Das Volk ist, wenn man so will, immer größer als irgendein Wir.
Die Wurzeln der aktuellen Empörung reichen tiefer als bis zum Flüchtlingsherbst 2015. Sie speisen sich aus den Verhältnissen in der DDR, aus dem Wende-Umbruch, den biografischen Beschädigungen, langer Arbeitslosigkeit, aus Treuhand und Verlustangst, aus Neid und dem Verdruss über eine Europäische Union, die ihren eigenen Ansprüchen kaum gerecht wird. Und vielleicht auch aus diesem ewigen Siegerlächeln auf den Gesichtern mancher Leute, die nach 1990 in die Lande kamen und uns erklären wollten, wie die Welt im Großen und wie sie im Kleinen zu funktionieren hat, und die bis heute nicht verstanden haben, wie der Osten, die Lausitz, der Cottbuser tickt.
Cottbus ist einst groß geworden durch Zuzug von Menschen; von den Hugenotten will ich gar nicht reden, aber von den Kumpeln und den Energiearbeitern, die der Ruf der Tagebaue und Kraftwerke hierher lockte. Auch in den zurückliegenden Monaten ist unsere Stadt gewachsen – doch im Unterschied zu damals steht diesem Stadtwachstum derzeit keine adäquate Wertschöpfung gegenüber. Wir brauchen Arbeit, aber auch soweit ausgebildete Leute, die diese Arbeit machen können.
Da sprechen wir, buchstäblich, noch keine gemeinsame Sprache. Wir ahnen wohl, dass speziell der Bund das Maß dessen, was in den Kommunen zu leisten ist, erheblich unterschätzt.
Die Situation – Was ist los in Cottbus?
Was ist mit uns passiert? Ich erlaube mir, etwas auszuholen. Ende 2014 hat die Stadtverwaltung eine Arbeitsgruppe Asyl eingerichtet. Das war also weit vor jenen Ereignissen, die noch heute die öffentliche Debatte bestimmen. Wir haben damals bereits gesagt, wir müssen uns langfristig auf ankommende Flüchtlinge vorbereiten. Deshalb waren wir gut aufgestellt, als im September 2015 deutschlandweit Turnhallen belegt und Notunterkünfte oder gar Zeltstädte eingerichtet wurden. In Cottbus war das nicht so. Wir hatten Wohnverbünde vorbereitet, wir haben Wohnungen hergerichtet, wir haben alles unternommen, eben keine Turnhallen ihrem Zweck zu entfremden. Und dennoch möchte ich Sie an meinen Satz von Ende September 2015 vor der Stadtverordnetenversammlung erinnern: „Seit heute Mittag gehen die Uhren anders“, lautete dieser Satz.
Das waren die Tage, als uns angekündigt wurde, dass quasi über Nacht Hunderte oder gar Tausend Flüchtlinge nach Cottbus geschickt werden Wir konnten in diesem Moment der ersten Überforderung der gesamten Systeme in Deutschland und in Brandenburg gar nicht anders, als temporär zwei Turnhallen in Sachsendorf, also unseren absoluten Notfallplan, dem Land zur Verfügung zu stellen. Das hatte mehrere Demonstrationen in unserer Stadt zur Folge. Diese endeten, als wir Wort hielten und die Turnhallen Anfang 2016 wieder dem Sport zur Verfügung standen.
Ich erinnere aber auch an den Dezember 2015, als das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss festlegte, dass eine in Brandenburg als gängig und rechtssicher geltende Altanschließer-Regelung verfassungswidrig ist. Wir haben dem Urteil und den Forderungen vieler Cottbuserinnen und Cottbuser schnell und nahezu geräuschlos Genüge getan, dass Geld zurückgezahlt und ein neues Entgeltmodell eingeführt. Das ist ein Riesenerfolg, gerade für eine verschuldete Stadt, den aber niemand mehr wahrnimmt. Und wir wissen, wie intensiv in einigen Landkreisen und Verbänden nach wie vor über die Altanschließer-Problematik gestritten wird.
Ich erinnere an den Jahre dauernden Kampf gegen eine falsche Kreisgebietsreform. Diese letztlich erfolgreiche Auseinandersetzung hat jedoch viel Kraft und Zeit gekostet. Es bleibt ein Riesenerfolg für die Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ihrer Unterschrift für die Volksinitiative und die Kreisfreiheit ihrer Heimatstadt eingesetzt haben.
Ich erinnere an ein strukturbestimmendes Unternehmen, dass Steuern in Millionenhöhe rückwirkend zurückforderte und fortan keine mehr zahlte. Die Folge: ein Millionen-Loch in der Stadtkasse. Wir haben da letztlich dank der guten Wirtschaftslage – und das heißt immer: dank der Steuern zahlenden Unternehmer und Arbeitnehmer – und höheren Zuweisungen einiges kompensieren können. Aber das heißt nicht, dass mehr Geld in der Kasse wäre. Dieser Zustand bremst Investitionen und er ist der Standard-Satz, wenn es um Wünsche geht: Wir haben das Geld nicht.
Und gleichzeitig entstand und entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, dass plötzlich doch Geld da ist, nämlich immer dann, wenn es um Flüchtlinge geht. Dabei sind viele Probleme, die jetzt mit dem Flüchtlings-Zuzug in Verbindung gebracht werden, bereits vor 2015 bekannt gewesen. Der Zuzug, in Cottbus bekanntermaßen besonders stark, hat nur die Defizite deutlich sichtbarer gemacht. Bund und Land haben auch jetzt längst nicht alles bezahlt, was wir in Vorleistung bereits erbracht haben.
Doch zurück zu den Ereignissen, die uns alle beschäftigen: Ich erinnere hier an den abscheulichen Tod der Cottbuser Rentnerin Gerda K. im Dezember 2016. Deren mutmaßlicher Mörder steht derzeit vor Gericht. Möge die Justiz ihre Arbeit tun und in diesem wie in anderen Fällen zu einem gerechten Urteil kommen. Wohl wissend, dass ein solches Urteil die Folgen dieser Untat nicht gutmachen kann. Aber wir brauchen alle die Gewissheit, dass die – wohlgemerkt unabhängige – Justiz als ein Pfeiler der demokratischen Ordnung in diesem Land funktioniert.
Wir warten sicher alle auf juristische Klarheit zu dem Unfall, der eine Studentin aus Ägypten das Leben kostete. Wir erhoffen uns Aufklärung darüber, welche Begleiterscheinungen dieser Unfall tatsächlich hatte.
Ich erinnere an die vielen kleinen und größeren Auseinandersetzungen vor allem in der Innenstadt, und nicht nur dort. Sie haben dazu geführt, dass wir im vergangenen Jahr in Teilen der Innenstadt ein Alkoholverbot erlassen haben, das in dieser Woche erneuert wurde. Wir denken, dass das wirkt.
Ich erinnere daran, dass wir vor mehr als einem Jahr eine Zuzugssperre für Flüchtlinge nach Cottbus gefordert haben, die abgelehnt worden ist. Manche Zuspitzung wäre mit einer Zuzugssperre wohl zu vermeiden gewesen. Wir haben die nötige finanzielle Unterstützung gefordert und sind lange Zeit damit abgeblitzt. Wir diskutieren noch heute mit den Ministerien über verschiedene Wege der Unterstützung. Es dauert noch immer viel zu lange, ehe wir zu greifbaren Ergebnissen kommen.
Ich erinnere an die Vorfälle, die uns nun in diesem Jahr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückten. Nach der Attacke auf drei afghanische Flüchtlinge hat die Polizei mehrere Tatverdächtige ermittelt. Auch da heißt es Geduld haben, bis Erkenntnisse belastbar feststehen. Ebenfalls im Januar wird ein Cottbuser Ehepaar von jugendlichen Flüchtlingen attackiert und beleidigt, wenig später wird ein Cottbuser Jugendlicher durch Flüchtlinge mit einem Messer verletzt. Erst vor wenigen Tagen hat ein Mann zwei Menschen verletzt, als er mit einem Auto in eine Gruppe fuhr. Der Mann soll zuvor bei einem anderen Vorfall betrunken gewesen und rechtsradikale Parolen gerufen haben. Auch hier sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
Wir glauben, dass es in Cottbus nicht mehr oder weniger schwerere Vorfälle gibt als in anderem Städten. Wir glauben, unsere Stadt und die hier lebenden Menschen haben es nicht verdient, derart an den Pranger gestellt zu werden. Und man gewinnt auch heute wieder das Gefühl, dass mancher offenbar gar nicht will, dass unsere Stadt und die Bürgerinnen und Bürger mal zur Ruhe kommen und sich ohne Rummel und ohne überdrehte Lautstärke über die Probleme austauschen.
Ihren Anteil daran haben Veröffentlichungen in den so genannten sozialen Medien. Oft genug entsteht dort ein Hype, der sich meist aus Vermutungen und dem Hörensagen speist. Kaum jemand entzieht sich dieser Maschinerie der Empörung und der Aufregung. Wir können uns zwar freuen, dass die Zahl der Straftaten in Cottbus im vergangenen Jahr zurückgegangen ist – das reicht aber allein nicht aus, um ein besseres Sicherheitsgefühl zu schaffen. Zahlen und Argumente wirken gegen Emotionen immer schwach. Wir sollten uns dennoch an die Fakten halten, ohne die Gefühle zu ignorieren.
Wo stehen wir?
Seit dem verstärkten Einsatz der Polizei und den gemeinsamen Streifen mit dem Ordnungsamt hat sich die Situation einigermaßen beruhigt, wenngleich es immer wieder zu Zwischenfällen kommt. Doch nahezu jede Auseinandersetzung, die es in Cottbus gibt, wird zu einem Kulturkampf gemacht.
Die Zahl der Ausländer in Cottbus hat sich binnen fünf Jahren verdoppelt. Ende 2012 lagen wir bei 3,8 Prozent, Ende 2017 waren es 8,3 Prozent. Das hat das Stadtbild verändert. Viele halten das für normal. Bei vielen Menschen lösen diese Veränderungen Unbehagen aus, bei manchen Menschen Angst – womöglich auch, weil sie selbst etwas Angsteinflößendes erlebt oder zumindest davon gehört oder gelesen haben. Angst wird aber auch geschürt.
Der Staat ist nicht für die Gefühle der Leute zuständig, er hat zuallererst Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Dennoch: Der Staat, also wir als Verwaltung aus Haupt- und Ehrenamt einschließlich Land und Bund, müssen uns mit dem Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger befassen. Unabhängig von Statistiken.
Viele Bürgerinnen und Bürger erleben die Begegnung mit den Flüchtlingen als bereichernd, als spannend, als Horizont erweiternd, und an dieser Stelle sei all jenen Dank gesagt, die sich seit Jahren um Menschen kümmern, denen es nicht so gut geht – um Flüchtlinge wie um Einheimische. Dabei geht es nicht um Herkunft, sondern um Bedürftigkeit. Das wird allzu schnell ausgeblendet oder vergessen. Andere sehen sich in täglicher Konfrontation mit dem Fremden, dem Ungewohnten, dem Herausfordernden, dem nicht Gewollten. Diese Haltung, egal woraus Sie sich speist, darf man niemandem absprechen. Wir sollten darüber, über Ursachen und auch über Auswüchse, reden. Unsere Möglichkeiten als Stadt sind begrenzt, das haben wir immer deutlich gemacht. Das zeigt sich an der so genannten negativen Wohnsitzauflage gegen einen syrischen Jugendlichen und seinen Vater. Ich habe die Entscheidung der Fachbehörde, den Bescheid vorerst auszusetzen und die während meiner Abwesenheit getroffen werden musste, etwas zähneknirschend zur Kenntnis genommen. Klar ist, dass der Bescheid nur so lange ausgesetzt ist, wie sich die Betroffenen an die hiesigen Regeln halten. Und die Strafverfolgung läuft davon unbenommen weiter.
Wir haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir Hunderten Kindern aus Flüchtlingsfamilien derzeit keinen Kita-Platz geben können. Aber wir haben erste zusätzliche Plätze unter anderem in der Gartenstraße geschaffen, bis langfristige Planungen umgesetzt werden können – so im früheren Lehrgebäude 9, am CTK oder in der Wehrpromenade. Viele Schulklassen platzen aus allen Nähten, Lehrerkollegien sind heftig gefordert, aber arbeiten ebenso wie die Kita-Kolleginnen und die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit einem bewundernswerten Einsatz für alle Kinder und Jugendlichen.
Wir stellen uns den Aufgaben der Integration, weil die Menschen hier sind. Wir wissen, dass das kein Prozess von Wochen oder Monaten ist, sondern von vielen Jahren. Manches wäre wohl einfacher, hätte Deutschland ein Einwanderungsgesetz und die dazugehörigen Regelungen. Wir sind nicht unberührt von den Geschehnissen in der Welt und denen im Bund. Als Kommune stehen wir am Ende der Entscheidungs- wie der Nahrungskette. Für uns ist letztlich maßgebend: Wir müssen finanziell so ausgestattet werden, dass wir die Aufgaben selbst verwalten und flexibel nach dem Bedarf aller Bürgerinnen und Bürger hier in der Stadt erledigen können.
Erschreckend ist der Hass in so vielen Köpfen, ist das Beleidigen und das Beleidigt sein, ist die Abkehr von Vernunft und Anstand an so vielen Stellen. Wir müssen darüber nachdenken, warum sich so viele Menschen von Politik und Staat, und letztlich der Demokratie abwenden.
Viele empfinden politischen Streit nicht mehr als bereichernd oder zielführend. So kann doch niemand begreifen, wie lange in Berlin und zum Teil auch der Lausitz darüber debattiert wird, in welchem Ministerium die Kohle-Kommission angesiedelt wird. Da machen die Leute dicht, solchen Streit will niemand hören. Für uns ist wichtig, dass es klare Regeln gibt und dass der Wandel in der Lausitz vorankommt, um neue Jobs zu schaffen. Natürlich muss darüber diskutiert werden.
Wir brauchen Ventile für vieles, damit die Leute Dampf ablassen können - und gleichzeitig ihren gewählten Vertretern hier in der Stadtverordnetenver-sammlung, aber auch im Landtag und im Bundestag, Dampf machen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Cottbus ist in den vergangenen Monaten nicht gut weggekommen in der Öffentlichkeit. Wir waren die Stadt der Gewalt durch und gegen Flüchtlinge, die Stadt der „aufrechten Patrioten“, die Stadt des Bürgerkriegs und was nicht noch alles. Mit dem realen Bild hatte das meist wenig zu tun. Allerdings führten diese medialen Bilder dazu, dass die Hotellerie in diesem Jahr bereits erste Einbußen verzeichnet, dass Veranstaltungen aufwendiger werden. Die Stimmung in der Stadt führt dazu, dass es schwieriger wird, dringend benötigte Spezialisten aus dem Ausland für die Universität oder das CTK für unsere Stadt zu gewinnen.
Man hat uns in einigen Medien einige Aufkleber an die Stirn gepappt, darauf steht dann: Nazistadt, Naziverein, Nazimensch, Flüchtlingsfeind. Es ist ein verheerendes Bild entstanden.
Andererseits werden wir gelobt für die großartigen Leistungen bei der Integration, die leider geschmälert wird durch eine kleine Gruppe, die durch Gewalt und Schmähungen auffällt und zur Räson gebracht werden muss. Wir sind eine normale deutsche Stadt. Es herrscht hier kein Bürgerkrieg, hier ziehen nicht ständig Horden durch die Stadt. Offenbar mussten wir in einigen Medien als gefundenes Fressen, als Klischee des verseuchten Ostens herhalten.
Um das auch hier nochmals und immer wieder klar und deutlich zu sagen: Ich erwarte von allen Bürgerinnen und Bürgern, von allen Gästen unserer Stadt eine klare Abgrenzung zu jedwedem politischem Extremismus, zu Hass, Entwürdigung, Rassismus und Gewalt.
Wir dürfen erwarten, dass wir fair behandelt und differenziert betrachtet werden. Wir dürfen erwarten, dass einige Journalistinnen und Journalisten sich befleißigen, ein vorurteilsfreies und ein umfassendes Bild unserer Stadt zu zeichnen, dass sie sich Zeit nehmen, den Menschen hier zuzuhören, dass sie den Ostdeutschen im Menschen verstehen lernen und das auch wollen.
Wir ermuntern die Vertreter der Medien, einfach nur zu berichten, was ist. Wir wünschen uns, dass niemand vorab ein Etikett verpasst bekommt, und dass jeder nach dem bewertet wird, was er sagt. Wir wissen, wie schwierig es ist, die ganze Welt in 1:30 Minuten oder auf einer halben Zeitungsseite erklären zu wollen.
Wir haben diese medialen Empörungswellen satt und die Übertreibungen, die Zuspitzungen, die freilich nicht nur von einzelnen Medien ausgehen, sondern auch einen Teil des öffentlichen Diskurses bestimmen.
Gesprächsangebote
Sehr geehrte Damen und Herren,
immer wieder ist in den vergangenen Monaten ein Dialog gefordert worden. Wir wollen zuhören und reden, gerade weil es unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir werden reden, auch wenn dort manch Unerträgliches formuliert werden wird. Wir wollen reden – mit Cottbuserinnen und Cottbusern über Cottbuser Probleme und Fragen. Als Oberbürgermeister stelle ich mich gemeinsam mit der Rathausspitze dem zu erwartenden Sturm.
Man darf in die kommenden Gespräche nicht nur mit offenem Visier gehen, sondern man muss auch den Helm absetzen und die Rüstung ablegen. Letztere besteht aus den vermeintlich großen Zusammenhängen, die die Welt so unerklärbar machen und letztlich die Politik vom Bürger abschotten. Es mögen aber auch alle den Schild aus der Hand legen, hinter dem es gemütlich parlieren lässt von der Politik, die ja sowieso nichts mit dem Bürger am Hut habe, die sich bereichern und die schon sehen werden, was sie davon haben nach den nächsten Wahlen.
Natürlich haben wir bereits sinnvolle und offene Angebote zum Gespräch, auch wichtige Auseinandersetzungen, in den gewiss manchmal mühsamen Ausschusssitzungen und Versammlungen der Stadtverordneten, in den Ortsbeiräten und Fraktionen.
Wir müssen uns als haupt- und als ehrenamtliche Verwaltung allerdings gemeinsam fragen, warum das von so wenigen Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird? Vielleicht ist es ein Weg, künftig in den Ausschüssen wenigstens eine halbe Stunde lang Bürgerfragen einzuplanen und zu beantworten?
Was werden wir machen?
Wir wollen mit den Leuten auf andere Art reden, mit denen in Mitte im Stadtzentrum, mit den Ströbitzern in Ströbitz, in Sachsendorf mit den Sachsendorfern, mit den Bewohnern der Spremberger Vorstadt genau dort, mit den Schmellwitzern in Schmellwitz, mit den Sandowern in Sandow. Wir möchten gleichzeitig, dass die Golßener, die Lübbenauer, die Gubener, die Leute aus Elbe-Elster, aus Senftenberg oder Sachsen ihre Fragen und Probleme bei sich zu Hause debattieren. Um es deutlich zu sagen: Wir laden Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger aus Cottbus, ein zu sechs großen und offenen Stadtteil-Gesprächen. Diese werden in
- Mitte
- Sachsendorf
- Schmellwitz
- der Spremberger Vorstadt
- in Sandow
- und Ströbitz
stattfinden. Das erste Gespräch wird am 15. Mai in der Oberkirche durchgeführt. Wir wollen dort miteinander reden, offen, sachlich, respektvoll und anständig, so wie es auch heute hier der Fall sein soll. Dazu sind alle eingeladen, denen unser Cottbus und die Stadtteile am Herzen liegen und zuerst die, die einen Wohnsitz in unserer Stadt haben. Wir denken, dass man in den Stadtteilen die aktuellen Probleme und Fragen gezielter und direkter erörtern kann. Zu diesen sechs Stadtteilgesprächen, denen ich das Motto gebe „Cottbus gemeinsam gestalten“, werden ich als Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung und der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Reinhard Drogla, für den Mai und für Juni einladen. Wir haben für alle Dinge rund um die Gespräche die zentrale E-Mail-Adresse dialog@cottbus.de eingerichtet, um eine weitere Kontaktmöglichkeit für die Cottbuserinnen und Cottbuser zu haben.
Wir wünschen uns zudem, dass diese Gespräche fortgesetzt werden – in den ländlich geprägten Ortsteilen (dazu bieten sich nicht nur meine Ortsteilrundgänge an), in Ortsbeiräten, in Bürger- und anderen Vereinen, in Institutionen, beim Sport, in Gartensparten, in Schulen oder Kindergärten, bei Elternabenden oder Schulkonferenzen. Vertreter der Verwaltung und sicher auch die Stadtverordneten aus den Ortsteilen und Wohnvierteln sind gern bereit, dort dabei zu sein.
Es gibt aus meiner Sicht für diese Gespräche keine Erfolgskriterien. Jedes Gespräch, so es zustande kommt, ist ein Erfolg. Gespräch heißt reden und zuhören. Jeder wird etwas anderes daraus mitnehmen und vielleicht wiederkommen.
Weitere Formate sollen folgen, in der prominente Persönlichkeiten ein wenig die Welt erklären helfen. Dazu laufen erste Gespräche, denn das will alles ebenso gut vorbereitet sein.
Vorschläge für einen Antrag der Stadtverordnetenversammlung
Sehr geehrte Damen und Herren,
als von den Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich gewählter Oberbürgermeister möchte ich anregen, dass die Stadtverordneten für ihre turnusmäßige Sitzung am kommenden Mittwoch einen möglichst breit getragenen Antrag vorbereiten und beschließen. Inhalt könnten die folgenden Punkte sein:
- Oberbürgermeister und das Präsidium der Stadtverordneten werden beauftragt, oben bereits skizzierte Gespräche vorzubereiten.
- Die Stadtverordnetenversammlung fordert das Land Brandenburg auf, die Migrationspauschale rückwirkend ab 01.04.2016 zu zahlen und nicht nur ab 01.01.2018.
- Das Land Brandenburg soll ein Investitionsprogramm für Kita und Schule auflegen und den entsprechenden Personalbedarf finanzieren.
- Die Stadtverordnetenversammlung fordert eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Land Brandenburg. Diese soll beinhalten, dass die verstärkte Polizeipräsenz so lange gesichert wird, wie es die Stadt Cottbus im Sinne eines umfassenden Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger für nötig erachtet.
- Die Stadt Cottbus/Chóśebuz schließt mit Flüchtlingen eine Vereinbarung über die hier geltenden Regeln des Zusammenlebens und über die strikte Einhaltung der hier geltenden Gesetze. Detailliert soll das im Sozialausschuss der Stadtverordnetenversammlung erarbeitet werden.
Liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,
ich rufe Sie alle auf, sich rege an den Diskussionen zu beteiligen, wo immer sie stattfinden. Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund, schonen Sie uns nicht, aber hören Sie bitte auch, was ihre Gesprächspartner zu sagen haben – gerade, wenn sie nicht einer Meinung sind. Seien wir gerecht miteinander, seien wir respektvoll und anständig, seien wir offen und ehrlich. Dann können wir Cottbuserinnen und Cottbuser unser Cottbus gemeinsam gut gestalten und unserer Heimatstadt Zukunft geben.
(Es gilt das gesprochene Wort.)