Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge
Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge
Jan Gloßmann

Die Jüdische Gemeinde und die Stadt Cottbus/Chóśebuz gedenken am Freitag, dem 08.11.2019, der Opfer der Reichspogromnacht am 09.11.1938. Die Gedenkveranstaltung am Standort der alten Synagoge in der Karl-Liebknecht-Straße beginnt um 11:00 Uhr.

Oberbürgermeister Holger Kelch: „Ich lade alle Cottbuserinnen und Cottbuser ein, mit uns am 8. November anlässlich der Pogrome des 9. Novembers 1938 am Gedenkstein in der Karl-Liebknecht-Straße der Opfer der nationalsozialistischen Hetze gegen das jüdische Volk, der Opfer der Vertreibung und der Opfer der Brandstiftung in der Synagoge in der Jahrstraße zu gedenken. Wir begrüßen dort alle, die aufrichtig, ehrlichen Herzens und im Bewusstsein der daraus erwachsenen stetigen Verantwortung für uns der Opfer des Nationalsozialismus, vor allem der Opfer der Hetze und des Hasses gegen die jüdische Bevölkerung gedenken und die für die Gegenwart die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Nehmen Sie teil und nehmen Sie Anteil!"

Nach der Kranzniederlegung an der Gedenktafel wird Oberbürgermeister Holger Kelch sprechen. Vorgestellt wird das Butterfly-Projekt, zu dem ein Text des Nachfahren der Cottbuser Familie Schindler, Steven Schindler, gelesen wird. Die musikalische Umrahmung wird gestaltet von Schülerinnen und Schülern des evangelischen Gymnasiums.

Oberbürgermeister Holger Kelch: „Ich bin stolz darauf, dass die einzige Synagoge des Landes Brandenburg in Cottbus steht und dass 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges jüdisches Leben in unserer Stadt als Teil der religiösen Vielfalt wieder frei gelebt werden kann. Aus unserer Geschichte erwachsen für die gesamte Stadtgesellschaft Verpflichtung und Verantwortung, und das heißt heute in erster Linie, jüdischen Einrichtungen beizustehen. Gleichzeitig bin ich den Menschen dankbar, die in den Tagen unmittelbar nach den Morden und der Attacke auf die Synagoge in Halle hier in Cottbus/Chóśebuz ihre Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde gezeigt haben. Die jüdische Gemeinde ist Teil unserer Stadt und unserer Gesellschaft."

In Cottbus/Chóśebuz erinnern 90 Stolpersteine an jüdische Bürgerinnen und Bürger, die unter der Nazi-Herrschaft vertrieben, beraubt und in den Tod getrieben wurden. Am 09.11.2019 wird der „Cottbuser Aufbruch" auf deren Schicksale aufmerksam machen. Die Veranstaltung beginnt um 11:00 Uhr im Umfeld der heutigen Synagoge in der Spremberger Straße.

Zur den Gedenktagen gehören zudem zwei Filmvorführungen für Schulklassen im Obenkino am 18. und am 19.11.2019.

Am 09.11.1938 wurde die Synagoge in der Jahrstraße in Brand gesteckt. Auch der alte Jüdische Friedhof in der Dresdener Straße wurde geschändet. Bereits am 10.11.1938 gab es weitere Verhaftungen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Transporte in Konzentrationslager. 1942 wurden die letzten in Cottbus/Chóśebuz lebenden Juden in das KZ Theresienstadt verschleppt. Nach einem Bericht aus dem Jahr 1946 sollen nur 12 Menschen jüdischen Glaubens den Holocaust überlebt haben. Die Jüdische Gemeinde wurde ausgelöscht. Sie existiert erst seit 1998 wieder durch Zuwanderung von Menschen jüdischen Glaubens aus der ehemaligen Sowjetunion. (Quelle: Stadtchronik Cottbus Blätter 2002).

Im Folgenden stellen wir eine Betrachtung der Beauftragten des Kirchenkreises für den christlich-jüdischen Dialog, Pfarrerin Johanna Melchior zum 9. November zur Verfügung:

„War es nicht erst gestern?"

Der 9. November ist ein Datum deutscher Geschichte.

Es war am 9. November:

1918 - die Ausrufung der ersten deutschen Republik. Brutaler Krieg und Niederlage, Hunderttausende Tote – ein wirkliches Ende des Blutvergießens ist noch nicht da. Die Republik wird ausgerufen, Ende des Kaiserreiches. Eine neue historische Situation beginnt im November 1918.

1923 - gezielt dieser Tag, der 9. November, soll es sein, an dem der Naziputsch stattfindet. Ein Angriff auf die junge Demokratie. Noch kann er niedergeschlagen werden durch die Münchner Polizei. Es gibt Tote unter den Putschisten. Auf einer Briefmarke werden sie später „Helden" genannt.

1938 - wiederum in überlegter Reaktion wird diese Nacht vom 9. zum 10. November gewählt – Synagogen brennen, jüdische Geschäfte und Wohnungen werden geplündert, Juden misshandelt, verhaftet, ermordet.

1989 - Desorientierung in einer Zeit der Wandlungen, kaum übersehbare Menschenmassen an der Berliner Mauer und an einer Reihe von Orten an der innerdeutschen Grenze - und dann - diese so lange für unüberwindbar geltende Mauer fällt.

Sie war eine Folgeerscheinung des Zweiten Weltkrieges. Die Alliierten haben sie in Kauf genommen. Der Zweite Weltkrieg ist mit dem Fall der Mauer erst wirklich beendet.