Die Oberbürgermeister der ostdeutschen Städte sehen die Rolle der Städte in den neuen Ländern in Gefahr. Die ostdeutschen Städte müssen auch in Zukunft ihre Aufgaben im Sinne ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger und der Menschen, die in den umliegenden Regionen wohnen, erfüllen können. Die Funktionen der Ober und Mittelzentren als Träger der wirtschaftlichen Entwicklung, als Bildungs-, Gesundheits- und Kulturstandort reichen weit über die Stadtgrenzen hinaus. Der Versuch einiger Länder, auf die demografische Entwicklung durch den Entzug der Kreisfreiheit von Städten zu reagieren, hilft den Regionen nicht. Er schmälert allerdings das Recht der Stadtbevölkerung, eigene Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln. Das erklärte der Deutsche Städtetag heute im Anschluss an die Konferenz der Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister der Städte in den neuen Ländern, die in Frankfurt (Oder) tagte.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus, sagte: „Die Städte in den neuen Ländern haben allen Grund, selbstbewusst für sich zu werben und ein gutes Image zu pflegen. Erfolgreiche Länder brauchen erfolgreiche Städte, die ihre Aufgaben selbstverantwortlich wahrnehmen und ihre innerstädtische Entwicklung selbst bestimmen können. Die Städte haben als historische, wirtschaftliche, kulturelle und verwaltungsmäßige Zentren eine besondere Leuchtturm- Funktion, auch für die sie umgebenden Regionen. Zudem bieten sie den Menschen eine bürgernahe Verwaltung, die Entscheidungen direkt am Ort des Geschehens trifft und nicht aus der Ferne. Deshalb appellieren wir an die Landesregierungen, die Städte in den neuen Ländern in ihrer Rolle als Mittel- und Oberzentren zu schützen und zu stärken."

Nach Einschätzung des Deutschen Städtetages ist es zumindest fragwürdig, ob mit der Hilfe von Gebietsreformen und der Aufnahme von bisher kreisfreien Städten in Landkreise leistungsfähige, bürgernahe und zugleich effiziente Verwaltungen gesichert werden können. Zahlreiche Beratungs- und Betreuungsfunktionen betroffener Städte müssen in jedem Fall – unabhängig davon, wo das Verwaltungszentrum liegt – ortsnah erfolgen, damit sie von den Menschen in Anspruch genommen werden können und wirksam sind und damit der Kommunikationsaufwand zum Erreichen der Menschen nicht unwirtschaftlich hoch wird. Auch muss die Koordination zwischen verschiedenen Verwaltungsbereichen sichergestellt werden, damit ein effizientes und zielorientiertes Handeln erreicht werden kann.

25 Jahre nach dem Fall der Mauer habe sich eine pauschale Unterscheidung zwischen ost- und westspezifischen Problemlagen überholt, betonte Articus: „Demografischer Wandel, ungünstige Finanzverteilungen zwischen Stadt und Land, Strukturschwäche – alle diese Probleme finden sich in ost- wie in westdeutschen Städten. Städte mit großer finanzieller Not liegen in der Regel in Bundesländern mit erheblichen eigenen finanziellen und strukturellen Problemen, zum Beispiel durch hohe Arbeitslosigkeit. Um die Finanzprobleme der Städte zu bewältigen ist es wichtig, dass der Bund neben den für die Finanzausstattung der Kommunen hauptsächlich verantwortlichen Ländern handelt und die Kommunen bei den Sozialausgaben entlastet. Wenn der Solidarpakt II 2019 ausläuft, muss zudem nahtlos eine Förderung strukturschwacher Städte und ihrer Regionen greifen, in Ost und West." Darüber hinaus müsse auch die Finanzverteilung zwischen Stadt und Umland in den neuen Ländern diskutiert werden, um die Rolle der Städte als Ober- und Mittelzentren zu sichern und zu stärken.

Dr. Martin Wilke, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder) und Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages, sagte, die Länder müssten den kommunalen Finanzausgleich nicht nur in der Ausstattung, sondern auch in seiner Verteilungswirkung im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen gestalten: „Die Belastungen der Städte aufgrund des demografischen Wandels können nicht durch Einkreisungen gelöst werden. Dadurch werden die Gestaltungsspielräume der Städte eingeschränkt, ohne die Ursachen der Probleme anzugehen. Es ist erforderlich, die tatsächlichen Belastungen der Städte in stärkerem Maße zu berücksichtigen, etwa die Sozialkosten. Gleiches gilt für die zentralen Funktionen, wie zum Beispiel Bildungs- und Infrastrukturkosten. Die Bedeutung der Städte als Zentren muss sich in den Finanzausgleichsgesetzen aller neuen Länder widerspiegeln. Denn von den Städten profitiert auch das Umland." Wilke hob außerdem hervor, dass den Angeboten für Bildung und Forschung in Universitäten und Industrie in den Städten in den neuen Ländern eine Schlüsselfunktion zukommen müsse. Bildung und Forschung könnten helfen, die Funktion der Städte als Wirtschaftsstandorte zu stärken. Zudem leisteten sie einen wertvollen Beitrag zur Stadtgesellschaft.

Der Deutsche Städtetag wird sich weiter intensiv mit der Rolle der Städte in den Ländern befassen und Konsequenzen aus der Einkreisung von Städten analysieren und erörtern.