Investitionskraft der Kommunen stärken – Städte bei Sozialausgaben entlasten – Positive Signale zur Wohnungspolitik und Daseinsvorsorge

Mehr als 100 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker des Deutschen Städtetages haben heute in Berlin eine Resolution zu den Koalitionsverhandlungen verabschiedet. Bund, Länder und Kommunen sind nach Auffassung des kommunalen Spitzenverbandes bei großen Zukunftsaufgaben gemeinsam gefordert: Zu Recht richten sich hohe Erwartungen an eine künftige neue Bundesregierung und an die Länder. Doch auch die Städte sind dazu bereit, ihren Beitrag zum Gelingen zu leisten – etwa für mehr Klimaschutz und damit zur Umsetzung der Energiewende, für die Bereitstellung von Bauland und damit für bezahlbare Wohnungen, für den sozialen Zusammenhalt, für Bildung, für Kinderbetreuung, für die Infrastruktur und gute Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Wissenschaft. Der Deutsche Städtetag erwartet deshalb, dass im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen eine nachhaltige Finanzierung gesichert wird, die auch der Lage der Kommunen gerecht wird und keine öffentliche Ebene überfordert.

Angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen und vor dem Hintergrund der durch die Steuerschätzung erwarteten Mehreinnahmen für die öffentliche Hand sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, der Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, heute in Berlin nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss des kommunalen Spitzenverbandes: „Steuermehreinnahmen, wie sie jetzt durch die Steuerschätzung erwartet werden, sind erfreulich. Doch weder Bund noch Länder oder Kommunen schwimmen im Geld. Die Zahlen verdecken die nach wie vor bestehende Notlage vieler strukturschwacher Städte. Deshalb gilt: Die Investitionskraft der Städte muss gestärkt werden", so Maly. Die Kommunen könnten derzeit nur etwa 21 Milliarden Euro im Jahr investieren, obwohl die KfW den kommunalen Investitionsstau auf etwa 128 Milliarden Euro beziffert.

„Deutschland braucht ein Sofortprogramm von Bund und Ländern, um die gravierendsten Schäden an allen wichtigen Verkehrsadern und Brücken zu beheben", forderte der Städtetagspräsident für den Verkehrsbereich. Um eines der besten Verkehrsnetze Europas und den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv zu halten, müsse mit gezielten Maßnahmen für besonders dringliche Sanierungen begonnen werden: „Schon heute sind Schlaglöcher und Streckensperrungen für den Einzelnen im Alltag immer deutlicher sichtbar."

Auch eine langfristige und nachhaltige Finanzierung von Bau, Reparatur und Unterhaltung von Straßen, Schienen und Wasserstraßen dulde keinen Aufschub. Sie muss als eine der ersten Aufgaben in der neuen Legislaturperiode angepackt und spätestens bis zum Jahr 2015 geregelt werden – auch um Planungssicherheit für mehrjährige kommunale Großprojekte des ÖPNV zu schaffen, so Maly. „Allein bei der Erneuerung der kommunalen Verkehrswege klafft eine Finanzlücke von jährlich mindestens 2,7 Milliarden Euro."

Städtetag lobt Einigung auf seinen Vorschlag zur Mietpreisbremse

Positiv bewertete Maly Signale aus den Koalitionsverhandlungen der Arbeitsgruppe Wohnungspolitik: „Der Deutsche Städtetag hat immer wieder deutlich gemacht, wie dringlich in Ballungsgebieten mit knappem Wohnraum Maßnahmen sind, die Wohnen wieder bezahlbar machen. Deshalb begrüßen wir, dass die Unterhändler einer möglichen großen Koalition den parteiübergreifenden Vorschlag der Städte für eine Mietpreisbremse bei Wiedervermietung eins zu eins aufgegriffen haben." Mieter würden bei Wohnungswechseln vor nicht gerechtfertigten Mietaufschlägen geschützt, wenn Mieterhöhungen regional differenziert auf maximal 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt werden können. Allerdings sei die zunächst auf fünf Jahre befristete Mietpreisbremse kein Allheilmittel gegen steigende Mieten und müsse Wohnungsbau wirtschaftlich attraktiv bleiben. Deshalb fordert der Deutsche Städtetag vor allem Impulse von Bund und Ländern sowie Anstrengungen aller Akteure auf dem Wohnungsmarkt für den Bau von zusätzlichen, der Nachfrage entsprechenden Wohnungen in wachstumsstarken Städten.

Deutliche Entlastung bei den Sozialausgaben nötig – Eingliederungshilfe

„Viele strukturschwache Städte können sich trotz erheblicher eigener Anstrengungen nicht ohne Unterstützung von Bund und Ländern aus ihrer schwierigen Finanzlage befreien", sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse aus Ludwigshafen. „Wir sorgen uns ernsthaft um die immer auffälliger werdenden Unterschiede zwischen Städten in großer finanzieller Not und Städten mit Spielraum für Schuldenabbau und Zukunftsinvestitionen." Der Deutsche Städtetag plädiert deshalb für eine weitere Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben durch den Bund. 2013 werden die Kommunen voraussichtlich 46 Milliarden Euro für Sozialausgaben ausgeben, 1992 waren es noch 22 Milliarden Euro.

„Finanzschwache Städte brauchen vor diesem Hintergrund stetig steigender Sozialausgaben weitere Unterstützung. Die Eingliederungshilfe ist für Menschen mit Behinderung ungeheuer wichtig, hier geht es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die deshalb auch gesamtstaatlich finanziert werden muss. Deshalb sollte in den Koalitionsverhandlungen für Menschen mit Behinderung vorrangig ein Bundesteilhabegeld und damit eine deutliche finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe vereinbart werden", sagte Lohse. Die Verabredung zwischen Bund und Ländern im Sommer 2012 für ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung müsse zügig umgesetzt werden. Allein zwischen 2007 und 2011 sind die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe bundesweit von 10,6 auf rund 13 Milliarden Euro gestiegen.

Städte begrüßen Bekenntnis zur Daseinsvorsorge

Vizepräsidentin Lohse begrüßte ausdrücklich, dass es bei den Koalitionsverhandlungen bereits eine Einigung darüber gibt, die kommunale Daseinsvorsorge zu schützen: „Den Kommunen wird damit für ihre Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger wie etwa die Wasserversorgung deutlich der Rücken gestärkt. Es ist ein gutes Zeichen, dass die voraussichtliche Koalition jeder weiteren Einschränkung der Daseinsvorsorge durch die EU entgegentreten will und die kommunale Daseinsvorsorge zum Kernbestand staatlicher Aufgaben erklärt