Isabel Damme

In Cottbus/Chóśebuz ist am Donnerstag der Opfer der Pogromnacht vom 09.11.1938 gedacht worden. An der Gedenktafel für die Alte Synagoge in der Karl-Liebknecht-Straße, die in jener Nacht in Brand gesteckt wurde, legten Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe, die Jüdische Gemeinde der Stadt sowie Bürgerinnen und Bürger Blumen und Gebinde nieder.

Isabel Damme; Jan Gloßmann

Oberbürgermeister Tobias Schick, derzeit auf Reise in die Partnerstädte Saarbrücken und Montreuil, hat sich mit einer Videobotschaft zum 09.11. an die Cottbuserinnen und Cottbuser gewandt. Diese ist auf www.cottbus.de abrufbar.

Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe: „Der 09.11. ist ein Tag, der in der Geschichte unseres Landes und der Welt eine besondere Bedeutung hat. Und der angesichts der Terrorattacke der Hamas auf Israel vor gut vier Wochen, angesichts der grausamen Morde und Entführungen sowie angesichts der aus dem Terror heraus entfesselten Gewalt schmerzlich in den Mittelpunkt der Gedanken und Nachrichten rückt. Heute stehen wir hier, am Standort der Alte Cottbuser Synagoge, wie jedes Jahr – und doch ist alles anders. Der Antisemitismus erstarkt und zeigt sich mehr und mehr unverhohlen. Hoffen wir daher gemeinsam, dass dunkle Kapitel der Geschichte auch Zeichen der Hoffnung in sich tragen und erinnern wir daran, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen. Diese Verantwortung nimmt uns niemand ab. Am 09. November vor 85 Jahren drangsalierten Nationalsozialisten und ihre Mitläufer auch in unsrer Stadt die jüdische Bürgerinnen und Bürger. Es war der erste und vorläufige Höhepunkt einer beispiellosen Welle der Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland, die in den Holocaust führte. Hass und Vorurteile waren der Nährboden für die Pogrome. Hier an diesem Ort wurde die schöne und zentral gelegene Synagoge von Cottbusern in Brand gesteckt, hier in unserer Stadt wurden Jüdinnen und Juden entrechtet, vertrieben, beraubt, in den Tod getrieben, entwürdigt, ermordet. Nach einem Bericht aus dem Jahr 1946 sollen in Cottbus nur zwölf Menschen jüdischen Glaubens den Holocaust überlebt haben.“

Am Platz am Stadtbrunnen hatte der Cottbuser Aufbruch zum Innehalten aufgerufen. 99 Stühle symbolisierten die bereits auf entsprechenden „Stolpersteinen“ verewigten jüdischen Opfer des Nationalsozialismus.

Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe: „Wir nehmen uns nicht aus der Verantwortung. Weder für das, was aus der Geschichte erwächst noch für das, was die Gegenwart von uns fordert. Die Opfer sind nicht vergessen. Sie haben in unserer Stadt durch 99 Stolpersteine einen Namen und heute und jeden Tag nicht nur durch diese Stühle einen Platz in unserer Mitte. Und am heutigen Tag erweitern wir gedanklich die Stuhlreihen um jene, die noch immer von Terroristen im Gazastreifen unschuldig als Geiseln gefangen gehalten werden. Sie müssen bedingungslos freigelassen werden und dürfen nicht als menschliches Schutzschild missbraucht werden. Wir brauchen hier bei uns immer wieder Aufklärung. Aufklärung antisemitischer Straftaten durch Polizei und Justiz, Aufklärung darüber, was durch die freie Meinungsäußerung – das hohe Gut der Demokratie – noch gedeckt ist und wo vermeintliche Meinung zur Straftat wird. Aufklärung aber vor allem in der Bildung, in den Schulen, Aufklärung durch Vorbilder in den Elternhäusern, in den Familien, am Arbeitsplatz, in Vereinen und Institutionen, auch durch Kunst und Kultur. Lassen Sie uns nicht nur heute Anteil nehmen. Unsere Anteilnahme gilt den Opfern von Krieg und Gewalt. Unser Beistand all jenen, die den Frieden verteidigen, die die Freiheit und die Würde eines jeden Menschen verteidigen. Wenn es nicht anders geht, auch mit Waffengewalt. Deshalb gilt unsere Solidarität dem Land der Juden Israel und der unschuldigen Zivilgesellschaft. Dauerhaft wirksame Waffen sind Friedfertigkeit, Ausgleich und Verständigung. Das bleibt auch an einem Tag wie dem heutigen die Herausforderung für die Welt.“