Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe, Gennadi Kushnir, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Cottbus, und Reinhard Drogla, Vorsitzender der Stadtverordneten  am Standort der alten Synagoge (v. l.)
Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe, Gennadi Kushnir, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Cottbus, und Reinhard Drogla, Vorsitzender der Stadtverordneten am Standort der alten Synagoge (v. l.)
Stadt Cottbus/Chóśebuz

In Cottbus/Chóśebuz ist am Mittwoch der Opfer der Pogromnacht vom 09.11.1938 gedacht worden. Die zentrale Veranstaltung fand am Standort der alten, 1938 zerstörten Synagoge in der heutigen Karl-Liebknecht-Straße statt.

Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe: „Wir gedenken heute der Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938. Wir gedenken derer, die in dieser Nacht und in den darauffolgenden Jahren auch in Cottbus/Chóśebuz drangsaliert, entwürdigt, entrechtet, vertrieben und ermordet worden sind und deren Gotteshaus und deren Wohnhäuser und Geschäfte geschändet wurden. Dieses Gedenken ist uns nicht nur Verpflichtung, die aus der Verantwortung vor der Geschichte unseres Landes erwächst. Wir können und wollen uns dem nicht entziehen. Unsere Aufgabe ist es, dieser Verantwortung durch unser tägliches Handeln gerecht zu werden. Botschaft dieses 09.11. ist das Bekenntnis zur Verantwortung, die wir als Gesellschaft tragen. Wir sind zuständig! Dieses stille Gedenken schließt heute das Nachdenken und Reden über den Krieg ein. Wir hielten das nicht mehr für möglich, aber es ist wieder Krieg in Europa. Der diesjährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Serhij Zhadan schreibt in seinem beklemmenden wie ermutigenden Kriegstagebuch: „Der Krieg ist die ganze Zeit irgendwo nebenan. Er erinnert uns gerne daran.“ Davor können wir die Augen nicht verschließen wie vor so vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt, die uns weit entfernt scheinen. Die Folgen sind jetzt unmittelbarer. Bei aller Sorge um kalte Wohnungen hier dürfen wir nicht vergessen, wie vielen Menschen in der Ukraine das Obdach wegbombardiert worden ist. Wir wissen, dass Kriege keine Lösungen schaffen, und wir wissen aber auch, dass es legitim ist, sich zu verteidigen. Wir hoffen darauf, dass Bedingungen entstehen für Verhandlungen und Waffenstillstand, für den Rückzug des Aggressors Russland aus allen besetzten und annektierten Gebieten in der Ukraine. Wir hoffen auf den Frieden.

Angesichts dieses Krieges müssen wir konstatieren, dass die Gefahr wieder erschreckend real ist, dass Menschen verfolgt, ausgegrenzt, entwürdigt, umgebracht werden. Wir konstatieren einen erstarkenden Antisemitismus hierzulande. Davor warnend, sage ich noch einmal: Wir sind zuständig!

Viele Menschen in unserer Stadt haben den Flüchtlingen aus der Ukraine – und vielen anderen Menschen aus anderen Ländern, die zu uns kommen – aufopferungsvoll geholfen. Wir werden weiter alles in unseren Kräften Stehende tun, dass alle Menschen hier in Cottbus/Chóśebuz sicher und beschützt leben können. Das ist ein wesentlicher Teil aus der Verantwortung, die sich aus dem 09.11.1938 ergibt.“

Gennadi Kushnir, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Cottbus: „Antisemitismus ist ein Angriff auf Menschen. Deshalb sind Bildung und Aufklärung weiter wichtig. Wir dürfen nicht vergessen. Die demokratische Mehrheit muss wachsam bleiben.“

Bei der Gedenkstunde berichteten Cottbuser Gymnasiasten in sehr persönlichen Worten von ihrer Arbeit im Projekt „Making History alive“. Dabei werden Biografien jüdischer Bürgerinnen und Bürger erforscht und aus dem Vergessen geholt. An entsprechenden Projekten arbeiten Schülerinnen und Schüler des Max-Steenbeck-Gymnasiums sowie des Evangelischen Gymnasiums.

Weitere Gedenkveranstaltungen fanden am Nachmittag in Schmellwitz, an der Synagoge in der Sprem sowie bei der Pflege von so genannten Stolpersteinen in der Neustädter Straße statt.