Jan Gloßmann

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

der Monat Juni und die einigermaßen entspannte Corona-Situation haben uns zu vielem Gewohnten zurückkehren lassen. Die Ostsee-Sportspiele, das Stadtfest mit dem Cottbus-open-Festival und dem sorbischen-wendischen Fest, das Bürgerfest in Sachsendorf – all das hat mit gutem Erfolg und teils beeindruckender Resonanz stattgefunden. Mein Dank gilt allen, die diese und manch andere Feste vorbereitet und zum Gelingen beigetragen haben.

Gewöhnen müssen wir uns wohl auch an Hitzerekorde wie den am 19.06.2022 mit 39,2 Grad. Nicht nur für solche Tage brauchen wir einen kühlen Kopf und natürlich auch Vorsorge.

Zu den schönen und liebgewonnenen Gewohnheiten gehört die Modellstadterkundung. Der traditionelle Rundgang hat gut 500 Menschen angelockt, so viele wie vor Corona. Und unsere Stadt kann sich ja sehen lassen. Insgesamt 210 Millionen Euro sind in den 30 Jahren im Modellstadtgebiet investiert worden – und das sind „nur“ die Fördermittel sowie das Geld aus eigener Kasse. Jeder Förder-Euro zieht ca. 7 Euro privates Kapital nach. Das ist ein enorm wichtiger Effekt aus der Förderung, vor allem aber für unsere Innenstadt. Diese Leistung der privaten Bauherren nötigt großen Respekt ab. Das ist keineswegs selbstverständlich.

Die Modellstadterkundung soll in den kommenden Jahre in einem ähnlich unterhaltsamen Format stattfinden – samt Blick über die Modellstadtkulisse hinaus. Wer das nicht erwarten kann, für den gibt es jetzt einen digitalen Rundgang durch die Innenstadt. Dieses Angebot ist unter cottbus-stadtentwicklung.de zu finden.

Wichtig erscheint mir zudem ein Satz des nun aus Cottbus/Chóśebuz scheidenden Architekten Christian Keller. Dieser hat beim Modellstadtspaziergang hervorgehoben, was ihn einst nach Cottbus/Chóśebuz trieb, und ich darf ihn zitieren: „Ich bin als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die BTU gekommen und habe seit 25 Jahren ein Architekturbüro in Cottbus. Die Aufbruchstimmung hat mich hier gehalten.“

Das ist genau das, was wir brauchen und immer wieder neu erzeugen müssen: Aufbruchstimmung. Beteiligung. Dialog. Die Modellstadterkundung trägt ebenso dazu bei wie das Projekt der Stadtentdecker, bei dem Architekten an Schulen gehen, aber vor allem Touren durch die Stadt unternehmen.

Brandenburgs Bauministers Guido Beermann hat sich das bei uns angeschaut. Ihm ist das Vorhaben „Dein Cottbus/Chóśebuz der Zukunft“ präsentiert worden. Mit dabei waren Kolleginnen und Kollegen unseres Fachbereiches Stadtentwicklung, vor allem aber zwei beteiligte Jugendliche.

Das Projekt hat eine neue Form der Beteiligung mit Hilfe von Gamification erprobt. Und es zeigt sich: So geht spielerische Beteiligung. Von Beginn an wurden die jungen Cottbuserinnen und Cottbuser eingebunden. Begonnen bei der Abstimmung des Gesamtprozesses, über die Jurybesetzung bis hin zur Social-Media-Redaktion – die kommunikative Stadtentwicklung wird nicht für, sondern gemeinsam mit der Zielgruppe gestaltet. Die Kinder und Jugendlichen haben sich in verschiedenen analogen und digitalen Formaten mit der Zukunft ihrer Stadt beschäftigt und zahlreiche Ideen entwickelt. So sehen alle direkte Ergebnisse, die Ideen werden visualisiert und sind schnell verständlich. Aufbruchstimmung? Ja, denn sowohl das Ministerium als auch die anderen Kommunen in Brandenburg schauen besonders auf diesen Cottbuser Ansatz. Diesen wollen wir verstetigen.

Im Februar hatte ich Ihnen von den „Stadtentdeckern“ berichtet. Die Klasse 6a der Regine-Hildebrandt-Grundschule hat jetzt ihre Abschlussarbeit im Projekt „Die Stadtentdecker“ vorgestellt. Die Mädchen und Jungen haben sich mit der Brache in der Stadtpromenade beschäftigt und 7 Ideen vorgeschlagen. Erkennbar ist, sie wünschen sich Raum für Aufenthalt und Beschäftigung. Besonders bemerkenswert ist, dass die Kinder an alle Bevölkerungsgruppen gedacht haben und gleichermaßen Ideen für Kinder und Erwachsene und darunter speziell die Seniorinnen und Senioren berücksichtigt haben. Das gehört für mich zur Aufbruchstimmung dazu. Herzlichen Dank dafür.

An Herausforderungen wird es künftig nicht mangeln, wenn sich unsere Stadt weiter entwickeln soll. Dennoch sei es uns allen gestattet, das Leben auch wieder zu genießen, ein wenig zu feiern. Auf alles kann ich gar nicht eingehen. Der Juni hat eine äußerst lebendige Heimatstadt gezeigt. Ich danke allen, die einen Anteil daran hatten, ob als Organisatoren, gerade als ehrenamtliche Helfer, als Sponsoren oder als Besucherin und Besucher. Wir waren beim Stadtradeln beeindruckend unterwegs, die Umweltwoche war wieder ein schöner Erfolg mit anregenden Veranstaltungen, wir hatten ein gutes und entspanntes Stadtfest trotz großer Hitze, die Ostsee-Sportspiele sind auf dem Weg zu einer schönen Tradition und auch das Bürgerfest in Sachsendorf ist wieder gut angenommen worden. Wie so oft im Sommer gibt es zu wenige Wochenende für all diese Feiern und Feste.

In den ländlich geprägten Ortsteilen ist ebenfalls einiges los. In Gallinchen wird die Ortsdurchfahrt saniert, und mittlerweile haben sich die meisten wohl gewöhnt an die Umleitung und an die Unannehmlichkeiten, die eine so große Baustelle an neuralgischem Punkt mit sich bringt. Am morgigen Donnerstag wird in Branitz auf dem Sportplatz der SV Eiche der Deutsche Meister im Fußball der Menschen mit geistiger Behinderung ermittelt.

Und Willmersdorf hat sich im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ der Landesjury gestellt. Unabhängig davon, wie die Jury letztlich entscheiden wird: Die Willmersdorferinnen und Willmersdorfer um Anke Schulz haben in diesem Wettbewerb so viel Herzblut und Heimatverbundenheit, so viel Gemeinsamkeit und Nachbarschaft gezeigt, dass es eine Freude ist. Allein dafür ein herzlicher Glückwunsch dem Ostsee-Anrainer.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 18.06.2022 haben wir mit John und Peter Gumbel sowie Aubrey Newman drei Nachfahren Max Grünebaums mit der Eintragung in das Goldene Buch der Stadt Cottbus/Chóśebuz geehrt. Anlass ist das 25 Jähre währende Wirken der Max Grünebaum-Stiftung. Unser interessantester Kosmopolit, Fürst Herrmann von Pückler-Muskau, konnte seinerzeit aus freien Stücken nach England reisen. Die Vorfahren der Geehrten wurde um ihren Besitz gebracht und zur Flucht nach England gezwungen.

Juden haben in der Geschichte unserer Stadt kaum weniger Spuren hinterlassen als Pückler, der so etwas wie ein gemeinsamer Landsmann ist. Pücklers Werk ist allgegenwärtig. Die Spuren jüdischen Lebens sind jedoch zwischen 1933 und 1945 systematisch und menschenverachtend getilgt worden. Es ist eine unserer dringlichsten wie vornehmsten Aufgaben, diese Spuren wieder sichtbarer zu machen, die Erinnerung lebendig zu halten. Heute gibt es wieder eine jüdische Gemeinde in unserer Stadt, buchstäblich mitten unter uns, mit der Synagoge am Schlosskirchplatz.

Als erfolgreiche Unternehmer, Kaufleute oder Rechtsanwälte haben sich Juden um unsere Stadt und die Menschen hier verdient gemacht. Geschäftstüchtigkeit und wirtschaftliches Wagnis wurde mit sozialem Engagement für die eigene Belegschaft und die Einwohnerschaft gepaart. Das wünschte ich mir auch von einigen Unternehmern, die heute in Cottbus/ Chóśebuz gute und einträgliche Geschäfte machen. Denn darin steckt auch ein Selbstverständnis als Teil der Bürgerschaft unserer Stadt.

Einer dieser Menschen war Max Grünebaum. Die durch ihn betriebene Tuchfabrikation in der Parzellenstraße erfuhr Achtung und Anerkennung in der Gesellschaft und gleichzeitig geschäftlichen Erfolg. Max Grünebaum gab diesen Erfolg der Stadt zurück – sei es mit sozialen Taten für die Angestellten und Arbeiter, sei es als Stadtverordneter und Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung oder sei es als Mäzen von Kunst und Kultur. Ich erinnere nur an den prächtigen Vorhang für die Bühne unseres Theaters am Schillerplatz. Max Grünebaum ist seit 1908 Ehrenbürger der Stadt Cottbus/Chóśebuz.

Und diese Haltung Grünebaums wirkt bis heute fort. Wunderbarer Ausdruck dafür ist das Engagement der Max Grünebaum-Stiftung und die persönliche Hinwendung der Familien Gumbel und Newman zu der Stadt, die ihren Vorfahren unter der nationalsozialistischen Diktatur so viel Leid angetan hat.

Jüdisches Leben ist in Deutschland und weltweit erneut längst nicht sicher. Wir erfahren von schleichendem wie offenem Antisemitismus, wir hören von Übergriffen und Attacken auf Juden aufgrund ihres Glaubens. Wir müssen miterleben, wie der Präsident der Ukraine, ein Jude, als Nazi beschimpft wird. All das dürfen wir nicht zulassen oder hinnehmen.

Ich habe den Vorstand und das Kuratorium der Stiftung gebeten, meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger freundlich in ihre Mitte aufzunehmen. Selbstverständlich nur, wenn sie oder er sich den Werten der Humanität, der Verständigung, der Würde jedes Menschen und der Demokratie verpflichtet fühlt. Die Demokratie samt offenem Meinungsstreit braucht Pflege und Verteidigung, sie braucht die Kraft zur Toleranz und Rechtsstaatlichkeit.

Das ist auch die Klammer für das segensreiche Wirken der Max Grünebaum-Stiftung in und für Cottbus/Chóśebuz. Dem wollen wir gerecht werden. Das ist eine Aufgabe aller Generationen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Teil dieser Aufgabe oder besser: Teil der Lösung ist unser Konzept im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Das Konzept wird am Freitag auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Innenministerium und weiteren Partnern im Stadthaus vorgestellt. Corona hatte uns auch hier etwas ausgebremst. Aber wir tun etwas. Klar ist: Der Rechtsextremismus ist ein Feind unserer offenen und toleranten Gesellschaft, ein Feind der Demokratie und auch ein Feind des Strukturwandels. Dem bieten wir die Stirn und nicht die Wange. Wir dürfen und werden da nicht lockerlassen.

Das Festival „Cottbus open“ im Rahmen des Stadtfestes hat ja einen durchaus programmatischen Titel. Denn ohne die Vielfalt, die bei diesem Festival gezeigt und in Cottbus/Chóśebuz gelebt wird, lebt weder die BTU Cottbus-Senftenberg noch kann uns der Strukturwandel gelingen. Wir brauchen junge Leute, die sich auf Cottbus/Chóśebuz einlassen, die sich hier verwirklichen wollen und Ideen umsetzen können. Dazu gehört essentiell eine freie demokratische, eine tolerante und vielfältige Stadtgesellschaft. Also auch eine Gemeinde, die sich auf Zuziehende einlässt, die den Herkommenden die Verwirklichung gönnt und ihnen ihre Ideen nicht neidet. Die Wandlungsprozesse sind eine Einladung in eine spannende Zeit. Daran ist weiter zu arbeiten.

In unserer Stadt leben aktuell fast 10.000 Menschen mit ausländischem Pass. Das sind gut also ca. zehn Prozent. Das ist eine spürbare Veränderung in den zurückliegenden Jahrzehnten. Dass dieser Veränderungsprozess nicht jeder oder jedem gefällt, das muss man einer Gesellschaft durchaus zubilligen. Er ist aber keine Rechtfertigung für Hass, Übergriffe, Beleidigungen oder andere Straftaten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Jugenddialog in Sandow war eine kleine feine Runde. Deutlich geworden ist hier wie bei den „Stadtentdeckern“, dass Jugendliche ihre Freiräume suchen, und das ist ganz buchstäblich gemeint. Wir werden schauen, ob wir da gemeinsam mit dem Bürgerverein im „Sandowkahn“ Angebote schaffen können.

In größerer Dimension lief der Bürgerdialog zu den Schwerpunkt-Vorhaben der Deutschen Bahn. Es war ein überaus sachliches und informatives Gespräch. Es wurde deutlich, wie das Milliarden-Vorhaben unsere Stadt verändern wird. Es gibt ja nicht nur ein neues Werk mit neuen Arbeitsplätzen, sondern auch Entwicklungschancen für den Viehmarkt, den Bereich an Külz- und Güterzufuhrstraße oder auch an der Vetschauer Straße.

Seit der letzten Sitzung der Stadtverordnetem ist eine Kita in unserer Stadt hinzugekommen. Die Kita „Noomi“ ist in der Rostocker Straße eröffnet worden. Sie wird helfen, weiter bedarfsgerecht zu versorgen. Und es passt gut dazu, dass die Deutsche Bahn dort schon ihr Interesse angemeldet hat, um für ihre neuen Kolleginnen und Kollegen des Bahnwerkes Plätze zu sichern. Wir wissen ja, dass die Vorhaben im Strukturwandel Hand in Hand gehen müssen mit der durchaus stadtteilbezogenen Entwicklung.

Und ich denke, dass wir Cottbuserinnen und Cottbuser ruhig stolz sein dürfen auf das, was da passiert – und das auch laut sagen sollten. Ein Audiomitschnitt sowie die Präsentationen der Bahn und der Stadtverwaltung stehen der Öffentlichkeit unter www.cottbus.de/dialog zur Verfügung. Aufklärung und Transparenz sind in diesen Prozessen immens wichtig. Und ich freue mich, dass mein Vorschlag auf Interesse gestoßen ist, einen ICE4 nach Cottbus/Chóśebuz zu benennen.

Wir planen bis zum Spätherbst erstmal keine weiteren Dialogveranstaltungen. Neue oder bewährte Formate bleiben den Entscheidungen meines Nachfolgers bzw. meiner Nachfolgerin überlassen. Der Dialog ist damit nicht beendet. Es steht selbstverständlich jeder Fraktion oder auch allen anderen frei, selbst Gesprächsangebote zu unterbreiten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die kommenden Monate bringen wichtige Entscheidungen. Die erste und wichtigste treffen die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Sie wählen am 11.09.2022 ein neues Stadtoberhaupt. Sollte eine Stichwahl nötig sein, so wird diese am 09.10.2022 stattfinden. Das ist später als gewohnt, aber notwendig, um die Stichwahl bei Bedarf ordnungsgemäß vorbereitet zu haben. Schließlich darf keine Stimme verlorengehen. Die Vorgänge zur Bundestagswahl in mehreren Berliner Wahlbezirken sind da Mahnung genug. Zu dem neuen Termin liegt uns mittlerweile die Bestätigung durch das Ministerium für Inneres und Kommunales vor.

Zuvor werden hoffentlich alle einen schönen Sommer haben. Allerdings geht es wohl vielen so, dass man sich gar nicht mehr so gänzlich auf diese Jahres- und Haupturlaubszeit freuen kann, wenn man an die jüngsten Hitzerekorde, die Waldbrände und die Trockenheit denkt. Die Leitstelle Lausitz warnt sehr eindringlich vor Sorglosigkeit.

Dennoch wird der Sommer schön, nicht nur durch die Ferienzeit. Die Filmnächte im Spreeauenpark starten am morgigen Donnerstag, immerhin der kleine Bruder der Filmnächte am Elbufer in Dresden. In Schmellwitz wird es wieder Open-air-Kino geben. Das Elbenwald-Festival soll zur zweiten Auflage kommen.

Lassen Sie uns ein wenig zur Ruhe und zu Atem kommen, etwas ausspannen. Bleiben wir mit Blick auf das pandemische Geschehen durchaus gelassen, aber vorsichtig und rücksichtsvoll.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort.)