Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Dr. Klaus Freytag, sehr geehrter Herr Dr. Rendez, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordneten, liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

allein für diese Begrüßung brauchen wir einen langen Atem – einen noch längeren brauchen wir für einen gelungenen Strukturwandel. Diese aktuelle Stunde ist wichtig, da sie ein alles umfassendes Thema betrachtet, das noch unsere Lausitzer Kinder und Kindeskinder beschäftigen wird. Sie ist aber auch ein wenig müßig, weil sich seit Wochen und Monaten alle Leute gegenseitig mit Forderungen beglücken, aber kaum etwas Konkretes auf den Tisch kommt. Wir reden vom Essen, aber die Teller sind noch leer. Jetzt gilt es endlich! Wir müssen größer denken, etwas weniger reden und dafür vor allem schneller handeln. Denn es ist den Lausitzerinnen und Lausitzern nicht mehr zu erklären, warum immer wieder konkrete Daten für einen Kohleausstieg durch die Welt geistern, niemand aber sagen kann, wann elementare Voraussetzungen für den Wandel in der Region geschaffen sind. Mag sein, dass ein Ausstieg aus der Kohle bis 2038 sogar realistisch und sinnvoll sein könnte.

Unser Blick gilt gleichzeitig der zweiten Seite der Medaille: Wann genau wird das zweite Gleis zwischen Lübbenau und Cottbus gebaut, wann die Bahnstrecke nach Görlitz elektrifiziert? Wann ist der Breitbandausbau abgeschlossen, damit die Region vernünftige und moderne Verbindungen nutzen kann? Welche Bundesbehörde zieht wann mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Lausitz? In welchem Jahr wird welche Forschungseinrichtung auf dem Campus der BTU Cottbus-Senftenberg eröffnet? Und wie glaubwürdig sind solche Ankündigungen, wenn es nicht gelungen ist, das Fernstraßen-Bundesamt in die Region zu vergeben und es auch nicht möglich scheint, den Landesrechnungshof aus Potsdam nach Cottbus zu verlagern? All diese Dinge brauchen wir als neue Basis der Entwicklung. Bundesbehörden, Infrastruktur und anderes sind erst der Anfang des zu flankierenden Wandels. Und das gilt im Übrigen für das Berlin-nahe Wohnen ebenso wie für den Tourismus, der eines der neuen wirtschaftlichen Standbeine werden soll, aber niemals allein die Region tragen wird. Das alles sind also nur die ersten Grundlagen für Ansiedlungen. Wer glaubt, dass seien schon Ergebnisse des Strukturwandels, der irrt und sorgt sehr schnell für einen neuen Bruch.

Die Politik macht sich unglaubwürdig, wenn sie keine ebenso konkreten und verbindlichen Antworten formuliert und die Vorhaben festschreibt wie ein Kohleausstiegsdatum. Schließlich geht es um 8000 direkt vom Kohleausstieg betroffene und mindestens noch mal so viele Jobs hier in der Lausitz, die gut bezahlt sind. Wir müssen die Arbeit, die Arbeitsplätze zu den Menschen bringen. Wir brauchen also Bedingungen, die Unternehmen in die Lausitz locken.

Was können wir tun? Wir haben Ideen, wir haben Forderungen. Wir sollten uns nicht von außen einreden lassen, die Lausitz würde nicht mit einer Stimme sprechen. Für die Stadt Cottbus/Chóśebuz ist klar: Die Stimme der Lausitz im Strukturwandel ist die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH. Diese Länder und Gemeinden übergreifende Gesellschaft hat mit Torsten Bork nun auch einen Geschäftsführer.

Er hat einen anspruchsvollen Job übernommen, der die Entwicklung der Region und die dafür notwendigen Entscheidungen maßgeblich prägen wird. Dass das nur im Gleichklang mit dem Lausitzbeauftragten des Ministerpräsidenten, den Ländern Brandenburg und Sachsen, mit den Unternehmen und Gewerkschaften, mit der Lausitzrunde und vielen anderen Partnern gelingen kann, ist selbstverständlich, aber eben auch überlebensnotwendig. Die Region hat hier, wenn auch teilweise spät, die personellen und gesellschaftlichen Ressourcen gebündelt, um im Strukturwandel bestehen zu können.

Die Wirtschaftsregion wird die Forderungen aus den 235 Gemeinden mit mehr als einer Million Bewohnern zusammenfassen und in einem „Fünf-Punkte-Lausitz-Plan“ darlegen. Da geht es um die bereist genannten Vorhaben in Infrastruktur, Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen sowie adäquate Arbeitsplätze in Industrie und Mittelstand. Hier muss ein kommunales Investitionsprogramm her, denn die Menschen erwarten Lösungen vor allem von den Kommunen, in denen sie wohnen und in denen sie arbeiten, in denen sie leben.

Wir gehen hier in Cottbus, wenn auch in kleinen Schritten, den Weg der Digitalisierung. Die Digitale Agenda unserer Stadt steht. Sie umfasst sieben Handlungsfelder, so zum Beispiel die Park-App, die wir gemeinsam mit Partnern am Start haben. Andere Dienstleistungen wollen wir ebenso digital anbieten. Wir wollen unser Kommunales Rechenzentrum ausbauen und zu einem Partner vieler Kommunen im Land entwickeln. Das ist funktionierende interkommunale Zusammenarbeit. Da sind auch noch einige Hausaufgaben von uns zu erledigen. Es ist heute keine Frage mehr, ob wir eine digitale Stadt werden; es ist eher die Frage, wie zügig wir moderne Dienstleistungen und entschlackte, effektivere Abläufe anbieten können. Diese Schnelligkeit erwarten Unternehmen und Bürger von uns, und das zu Recht. Diese Angebote sollen Unternehmen und Gründer einladen, sich in Cottbus und der Region niederzulassen.

Gleichzeitig müssen wir mit ansehen, wie Strukturwandel absurd betrieben wird. Es ist nicht zu verstehen, dass wir ständig von Industriearbeitsplätzen reden und dann die wenigen, die noch da sind, verlagern. Beispiel ist das Instandsetzungswerk Cottbus der Bahn, wo Jobs fortlaufend wegfallen oder verlagert werden an andere Standorte. Und das, obwohl hier die Kapazitäten vorhanden sind sowie die Arbeit gebündelt und damit der Standort gestärkt werden könnte – wie beispielsweise in der Radsatzfertigung. Regeln Sie in Berlin zuerst und vor allem das Machbare. Eine solche Entscheidung zu treffen, liegt in der Kompetenz des Bahn-Eigentümers Bund. Wir wissen um die Millionen-Investition, mit der das Cottbuser Werk fit gemacht werden soll für die Umrüstung herkömmlicher Technik auf Hybridloks. Das ist gut, aber wie viele Jobs entstehen dort konkret? Hier brauchen wir Klarheit.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass der Wandel breiter gefächert sein wird. Der Blick auf neue Arbeitsplätze ist zwar der Wichtigste. Wir werden mit einer neuen Wirtschaftsstruktur aber zusätzlich einen Landschaftswandel wie am Ostsee erleben, zudem einen Kulturwandel, einen Wandel der Bildungslandschaft. Ich sehe nicht, dass wir darauf schon Antworten bekommen. Wie steht es um die Lehrerbildung, wenn ich allein an den Bedarf für den sorbisch/wendischen Unterricht denke? Und nicht zuletzt: Wie wird Zuwanderung künftig so geregelt, dass sie niemanden überfordert? Auch das gehört zum Wandel in der Gesellschaft.

In diesem Wandel geht es auch um den Stolz einer ganzen Region, um Traditionen und um Identität – und das heißt in erster Linie um Perspektiven für Familien. Sie sollen sich darauf verlassen können, dass sie eine klare Zukunft in ihrer und unserer sich wandelnden Heimat haben.