Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

wenn es noch nicht vorbei ist, ist es noch nicht vorbei. Das sollten wir in diesen Tagen beherzigen und den Mut nicht verlieren.

Ein erstes Beispiel: Der FC Energie kann sich noch selbst aus dem Schlamassel ziehen. Die vierte Liga wollen wir uns nicht ausmalen. Schon der jetzige Tabellenstand hat immensen Einfluss auf das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl nicht nur in Cottbus. Natürlich ist die Formulierung „rein rechnerisch ist noch alles drin“ nichts anderes als ein theoretischer Ansatz, genauer: ein Strohhalm. Wie der FCE, so offen müssen wir das sagen, befindet sich auch die Lausitz in einem permanenten Abstiegskampf. Gleichzeitig ist der Verein durchaus ein Sinnbild: Wir haben es selbst in der Hand, wenn wir die sich bietenden Gelegenheiten verwerten und die richtigen Partner an unserer Seite finden.

Mit dem tschechischen Konzern EPH ist da ein neuer Mitspieler auf dem Weg. Vattenfall hat seine Braunkohlesparte an das tschechische Unternehmen verkauft, das wiederum den Finanzpartner PPF Investments an seiner Seite hat. Die Folgen aus diesem Verkauf sind noch nicht bis in alle Details abzusehen. Für uns ist vor allem wichtig, dass die fast 8000 direkten Arbeitsplätze erhalten bleiben. Sie bilden das industrielle Rückgrat der Region. Deshalb muss der neue Erwerber Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihm ermöglichen, dauerhaft Gewinne zu erwirtschaften. Insofern ist es richtig, dass die Tagebaupläne in der Region Bestand haben. Nur so kann EPH langfristig zu einem Partner und eben nicht zum Opfer des Strukturwandels werden. Selbstverständlich erwarten wir, dass alle von Vattenfall eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden, den Ostsee vorzubereiten und zu entwickeln.

Für uns wird wichtig sein zu erfahren, was EPH plant. Das betrifft neben den Jobs für viele Cottbuser vor allem die Steuerkraft des Unternehmens, auch wenn wir da keine Illusionen haben. Vorerst bleibt das eine haushalterische Nullnummer. Nicht zuletzt interessiert uns, dass die Zentrale in Cottbus als solche weiter genutzt wird. Zudem hoffen wir, dass EPH das bisherige soziale Engagement Vattenfalls fortführt oder wieder aufnimmt und als Sponsor für Veranstaltungen und Vereine auftritt. Mancher verknüpft damit sogar die Hoffnung, EPH übernimmt nicht nur die Braunkohlensparte von Vattenfall, sondern kauft auch gleich noch den FCE und ist damit der große Retter der Region. 50 Jahre nach der Gründung wäre Energie wieder eine BSG. Das große Aber lautet: Für solche Abenteuer müssen Firmen erstmal Geld verdienen dürfen. Diese Rahmenbedingungen sind, soweit es uns möglich ist, immer wieder neu zu schaffen.

Es geht bei allem nicht darum, den neuen Erwerber zu hofieren, sondern um seine Rolle in unserer strukturschwachen Region. Die Kohle-Industrie ist bei allen Problemen, die mit ihr zusammenhängen, noch der Garant für ordentlich bezahlte direkte Jobs und Auftraggeber für Tausende weitere Arbeitsplätze. Berlin ist trotz einigermaßen passabler Anbindungen auf Straße und Schiene gedanklich weit weg von Cottbus. Daran ändert auch das dringend nötige zweite Gleis zwischen Cottbus und Lübbenau nichts. Doch sind wir es, die die Auswirkungen der Energiepolitik des Bundes zu tragen haben. Und wie zum Hohn wird auch noch ein Teil der Bergbau-Sanierung durch den Bund wiederum in Frage gestellt.

Gleichzeitig bekräftige ich unsere Position, die Möglichkeit eines Tagebau-Aufschlusses in Polen für unsere Region zu nutzen. Sollte es soweit kommen, stecken dort Chancen für qualifizierte Arbeitskräfte, das Knowhow der Branche und vieles mehr.

Das wird Teil der weiteren Debatte um die Nutzung der Braunkohle sein. Insofern registrieren wir auch, dass Leute, die Vattenfall jahrelang attackiert haben, jetzt den Verkauf kritisieren und nach dem (schwedischen) Staat rufen. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die Auseinandersetzung um die Kohleförderung Formen annimmt, die wir nicht gutheißen. Für Pfingsten sind solche Aktionen angekündigt. Wer auf Bäume an der Tagebaukante klettert oder sich an Geräte oder Anlagen ankettet, gefährdet sich und andere. Das nennt sich „Ende Gelände“, ist aber für uns eher Ende des Verständnisses. Das ist keine brauchbare Form der Kritik, die sachlich und rechtskonform geführt werden sollte. Sie wird schon gar nicht plausibler, wenn die Protestierer aus der Ferne in unsere Region anreisen. Hier wird auf eine nicht nachvollziehbare Art und Weise Unruhe und Zwietracht in der Region gestiftet.

Die Kohle wird für eine verlässliche Erzeugung von Strom und Wärme gewiss noch auf längere Zeit gebraucht. Es bringt der Region nichts und auch nicht dem Weltklima, wenn jetzt ein sofortiger Ausstieg aus Förderung und Verstromung herbeigeredet oder gar erzwungen wird. Fast auf den Tag genau 30 Jahre nach Tschernobyl sollte man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun: Das heißt, erst wie geplant die Atomkraft abschalten, der Kohle als Energieträger aber eine planbare Zukunft geben. Das muss der Bund leisten und gleichzeitig für die Folgen seiner Energiepolitik einstehen, auch und gerade finanziell. Das ist jedoch genau die Zeit, die wir nutzen müssen und wollen, um den Strukturwandel voranzubringen. Dazu gehört, dass die Infrastruktur weiter ausgebaut wird. Da haben wir gar keine neuen Forderungen. Es muss nur endlich das gebaut werden, was schon seit Jahren in den Plänen steht. Wir unterstützen daher den Aufruf aus Gallinchen, sich stärker für die Ortsumfahrung einzusetzen, die ja allen Cottbusern und nicht zuletzt dem Ostsee nutzt. Gleiches gilt für die Forderung, dass das zweite Gleis zwischen Cottbus und Lübbenau deutlich schneller gebaut werden muss als es derzeit im Bundesverkehrswegeplan steht. Da sind wir uns als kreisfreie Stadt auch mit dem Landkreis Spree-Neiße einig. Wir werden die Betroffenen dazu aufrufen, das gemeinsam mit uns mit ihrer Unterschrift zu bekunden.

Beide Verbindungen haben eine überregionale Bedeutung. Letzteres ist allerdings nicht der Grund, warum wir uns künftig stärker nach Sachsen orientieren müssen und werden. Das liegt auch nicht daran, dass dort derzeit der erfolgreichere Fußball gespielt wird. Wir suchen die Kooperation mit den benachbarten Landkreisen. Das ist die alte Kohle- und das ist die neue Energieregion. Diese wollen wir gemeinsam voranbringen, uns um Stabilität und neue Ideen bemühen. In Cottbus sind wir dabei, ein bislang kommunales Gebäude für Start-up-Unternehmen vorzubereiten. Dabei arbeiten wir eng mit der Brandenburgischen Technischen Universität zusammen.

Gefordert ist natürlich in erster Linie unser Heimat-Bundesland Brandenburg. An manchen Tagen kommt viel Lob aus Potsdam, und Wirtschaftsminister Albrecht Gerber ist oft unterwegs in der Region. Das ist anerkennenswert. Doch Brandenburg verzettelt sich in einer Kreisgebietsreform, deren Auswirkungen erst später spürbar werden. In vielen Gesprächen erfahren wir, dass die Folgen den Bürgerinnen und Bürgern nicht präsent sind.

Vor einer Woche haben die drei Stadtoberhäupter von Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und ich für Cottbus in Potsdam deutlich gemacht, dass die Kreisgebietsreform keineswegs so Gewinn bringend sein wird, wie es uns die Landesregierung erklärt. Wir werden das in den weiteren Gesprächen und letztlich am 2. Juni zur Anhörung im Innenausschuss sehr deutlich machen. Das ist eine Reform gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, und zwar der in Cottbus und in Forst oder Spremberg und Senftenberg.

Ich rufe Sie alle auf, daran mitzuwirken und sich für die Zukunft unserer kreisfreien Heimatstadt Cottbus einzusetzen. Daran werden wir gemessen. Bemerkenswert ist meines Erachtens hier der Blick von außen. Vorige Woche waren zwei Delegationen aus unserer französischen Partnerstadt Montreuil zu Gast in Cottbus. Mein Amtskollege Patrice Bessac war höchst erstaunt, dass einer Stadt wie Cottbus derart viele Entscheidungsspielräume genommen werden sollen. Ich darf ihn hier zitieren: Kämpft um eure Kreisfreiheit. Ich freue mich, dass mit dem heutigen Tag ausnahmslos alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung einen Brief an alle Landtagsabgeordneten unterzeichnen, in dem wir unsere Argumente darlegen und dazu aufrufen, die scheinbar festgefügte Entscheidung tatsächlich zu bedenken. Diese Gemeinsamkeit aus Cottbus heraus brauchen wir auch weiterhin.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie vorausgesagt wird uns das Thema Altanschließer noch lange beschäftigen. Ein neues Finanzierungsmodell muss Abwasserbeseitigung und -aufbereitung sichern und die nötigen Investitionen. Auch hier geht es um Arbeitsplätze. Der Rahmen ist gesteckt, in dem sich die AG Abwasser bewegt: Wir wollen das Vertrauen der Bürger zurückholen. Das funktioniert nur, wenn es rechtssichere, wirtschaftlich tragfähige und für alle gerechte Lösungen gibt. Daran arbeiten wir. Nicht nur in der AG Abwasser. Doch die Arbeit an diesem Ziel für alle Bürgerinnen und Bürger, also auch in Groß Gaglow oder Gallinchen, wird im Einzelfall als wenig bürgernah empfunden. Denn sie braucht Zeit, und auf der anderen Seite regieren Frust und Ungeduld. Beides wird leider oft zusätzlich geschürt. Denn so eindeutig sind Urteile der Gerichte in Detailfragen eben nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie hier im Saal und viele am Livestream erwarten sicher ein paar Worte zum Carl-Thiem-Klinikum und den Vorgängen um den nunmehr fristlos gekündigten Geschäftsführer Dr. Andreas Brakmann. Hier gilt, zumal in der Öffentlichkeit: Was juristisch noch nicht vorbei ist, ist noch nicht vorbei. So viel aber kann ich sagen: Manchmal ist es sinnvoll, den Trainer zu wechseln. Und ja, die Vorgänge sollten aus unserer Sicht als Gesellschafter Auswirkungen auf die Besetzung des Aufsichtsrates haben. Sie werden sich erinnern, dass ich schon im Dezember vergangenen Jahres dazu einen Vorschlag unterbreitet habe. Ein gerüttelt Maß an Entscheidungen zu dieser Sache liegt aber hier im Hohen Haus, insbesondere bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates.

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor wenigen Tagen hatte ich Schüler aus dem Leichhardt-Gymnasium und vom Humboldt-Gymnasium im Rathaus zu Gast. Die Schülerinnen und Schüler erkundigten sich nach dem Cottbuser Ostsee, nach Möglichkeiten der Mitbestimmung beispielsweise in einem Jugendparlament und nach unseren Möglichkeiten, die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Von Desinteresse an der Stadt oder den kommunalen Debatten keine Spur. Das sind junge Leute, die ihre Chancen hier packen wollen. Denen scheint nicht egal zu sein, was aus ihrer Heimat wird, und sie warten sozusagen auf ihren Einsatz wie der Nachwuchs des FC Energie im jüngsten Spiel in Stuttgart. An den Cottbuser Schulen wird trotz mancher Einschränkung offenbar eine gute Arbeit geleistet. Und da will ich die Steenbecker nicht unerwähnt lassen. Sie sind jüngst wieder mehrfach geehrt worden. Als bester Nachwuchs in der Chemie-Olympiade Brandenburgs und für ihre europäische Zusammenarbeit und ihr Interesse an Kontakten zu Gleichaltrigen in Dänemark, Frankreich, Lettland, Nordirland, Polen und Spanien.

Bei den Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern ist eines nochmals deutlich ins Bewusstsein gerückt: Für wen machen wir eigentlich unsere Arbeit? Natürlich ist vieles von Alltagsproblemen dominiert. Doch die großen Vorhaben – allen voran der Ostsee – werden erst kommende Generationen tatsächlich nutzen und genießen können, die heute noch zur Schule gehen. Da ist also nichts vorbei, da fängt es gerade an. Der Ostsee ist unser Apfelbaum, den wir heute pflanzen und pflegen. Die Ernte werden spätere Generationen einfahren.