Kinder und Jugendliche zwischen Grenzerfahrung und Psychiatrisierung-

Initiiert durch die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Cottbus, beschäftigt sich am 16.10.2009 eine Fachtagung mit dem Thema: „Wie verrückt ist noch normal - Kinder und Jugendliche zwischen Grenzerfahrung und Psychiatrisierung“. Die Veranstaltung setzt die Tradition des bereits seit 1998 jährlich stattfindenden Psychiatrietages in Cottbus fort. Mit unterschiedlichen Medien und Methoden (Filme, Vorträge, Workshops u. a.) wurden in den letzten Jahren die Probleme von Menschen mit psychischen Erkrankungen in den Mittelpunkt gestellt. Dabei wurden sowohl krankheitsbezogene (z.B. Depression, Angst) als auch problemlagenbezogene (z.B. psychische Erkrankung und Arbeit) Themenansätze gewählt.

Anliegen

Inhalt ...Ziel des Psychiatrietages ist es, die Probleme von Menschen mit psychischen Erkrankungen auf einer möglichst breiten Basis zu kommunizieren und zu diskutieren. Er soll im Sinne des Trialogs einen Rahmen für den Gedankenaustausch bieten und durch die bewusste Öffnung für Interessierte nach Möglichkeit weit in den öffentlichen Raum wirken. Damit soll Stigmatisierung und Diskriminierung entgegengewirkt und gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Für Betroffene und ihre Angehörigen soll der Psychiatrietag Informations- und Kontaktmöglichkeiten zu professionellen und Selbsthilfeangeboten bereithalten. Bedürfnisse und Bedarf sollen durch den Austausch erkannt und in der Psychiatrieplanung berücksichtigt werden.

Die Idee „Wie verrückt ist noch normal?“

Die thematische Idee für die Veranstaltung 2009 entstand in der Folge unterschiedlicher Diskussionen über die Frage, ob und in welche Richtung sich die gesellschaftlichen Grenzen in unserem Land verschieben, wie die Bürgerinnen und Bürger damit umgehen und wie wir mit den Menschen umgehen und umgehen wollen, die die Anpassungsleistungen nicht erbringen können oder wollen. Beispielhafte Schlagwörter des Diskurses waren in diesem Zusammenhang: Toleranz und Sanktionierungsnotwendigkeit, kreatives Entwicklungspotenzial von Grenzgängern, Leistungsdruck und Leistungsverweigerung, strukturelle Gewalt, psychische Erkrankung und abweichendes Verhalten, Psychiatrisierung und Medikamentisierung, Normalität und „Verrückt“-heit.

Mit dem Psychiatrietag soll ein fachübergreifender Diskussionsraum angeboten werden, um diese Themen im Sinne eines toleranten Umgangs mit Individualität und Andersartigkeit von Lebenswelten und Lebenswirklichkeiten im Kontrast zum gesellschaftlichen Anpassungsdruck zu reflektieren und auszuloten. Da unterschiedliche Lebensphasen (Kindheit und Jugend, Erwachsenenalter, Alter) unterschiedliche Anpassungsschwierigkeiten aufweisen, ist der Psychiatrietag 2009 zunächst der Kindheit und Jugend gewidmet und nach derzeitigem Stand auf eine Fortführung in den Folgejahren konzipiert.

Themenspezifische Zielstellung

„Wie verrückt ist noch normal? - Kinder und Jugendliche zwischen Grenzerfahrung und Psychiatrisierung“

Kinder und Jugendliche, aber auch ihre Eltern und Lehrer sowie professionelle Helfer der Jugendhilfe und der Psychiatrielandschaft scheinen zunehmend unter hohen Erwartungs- und Leistungsdruck zu geraten. Wie gelingt es den unterschiedlichen Gruppen damit umzugehen? Was muss man aushalten und was verändern? Und vor allem: in welche Richtung verändern?

Die Fachtagung 2009 soll den Toleranzrahmen in unserem Land und in unserer Gesellschaft gegenüber Kindern, Jugendlichen und ihrem Lebensumfeld hinterfragen. Das gilt vor allem auch unter Berücksichtigung des demografischen Wandels.

Der Erfahrungsaustausch und die theoretisch fundierte Diskussion über Druck und Grenzen sowie Grenzerfahrungen und Grenzgänger sollen zur Selbstreflexion eigener Werte und Handlungsmuster anregen. Dies soll helfen, Anpassungsversuche zu interpretieren, zu lenken und zu fördern, aber auch die begrenzenden Rahmen zu überdenke, zu verändern. Die Grenzen und Überschneidungen zwischen entwicklungsgerechtem, individuellem „Normalverhalten“ und professioneller Hilfebedürftigkeit sollen reflektiert werden. Dabei geht es auch darum, einen nachhaltigen Austausch zwischen Schulen, Jugendhilfeträgern und Psychiatrieträgern zu fördern, um Fehlversorgungen und Problemverschiebungen im Kinder- und Jugendbereich zu vermeiden.

Neben einem Impulsreferat über wissenschaftliche Erkenntnisse zur Situation von Kindern und Jugendlichen in unserer Zeit und in unserem Land konnten viele lokale Persönlichkeiten gewonnen werden, streitbare Kurzstatements zum Thema abzugeben. Darauf aufbauend sollen die Arbeitsgruppen Raum zur kritischen Diskussion bieten. Die Themen der Arbeitsgruppen orientieren sich an problematischen Anpassungsversuchen (Gewalt, Sucht, Mediengebrauch, Leistungsverweigerung, ADHS [Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom]). In den Arbeitsgruppen werden zwei bis drei Akteure aus unterschiedlichen Bereichen die Diskussion fachkompetent begleiten.

Der Psychiatrietag 2009 wendet sich an alle, die ein ernsthaftes Interesse am Thema und der Diskussion darüber haben - im beruflichen Alltag vor allem an Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher sowie an die unterschiedlichen Helfergruppen im Bereich der Jugendhilfe und der Psychiatrie, vor allem auch der Kinder- und Jugendpsychiatrie.