Meine Abi-Rede handelte davon, dass unsere Eltern schon in der Grundschule zu uns sagten, es beginne der Ernst des Lebens. Nach den ersten sechs Schuljahren begann dann wieder der Ernst des Lebens, als wir auf das Gymnasium gingen. Und was ist jetzt? Diese Frage musste ich mir auch stellen. Auf einmal gibt dir keiner mehr den Weg vor. Es gibt keine Schule in die ich mich jetzt setzen muss, weil ich dazu verpflichtet bin. Alles liegt jetzt in meiner Hand. So etwas kann für jemanden mit 17 Jahren schon ziemlich überfordernd sein. Vor allem, wenn man wie ich, gar keinen Plan hatte. Aber es ging nicht nur um die Frage, was ich arbeiten möchte, um gutes Geld zu verdienen oder eben einfach eine Arbeit zu haben. Viel mehr geht es glaube ich in dieser Zeit darum, wer man ist und wer man sein will. Also, wer bin ich denn überhaupt? Ganz einfach: Amely. Meine Leidenschaft ist die Fotografie, die Welt aus anderen Perspektiven sehen zu können und die noch so kleinsten, von uns für selbstverständlich gesehenen Dinge einzufangen. Außerdem singe ich für mein Leben gerne. Die Möglichkeiten aufzutreten habe ich immer sofort genutzt, denn auf der Bühne gibt es nur mich, dort fühl ich mich frei. Genauso wie beim Tanzen und Schreiben. All diese Dinge erfüllen mich mit Freude, aber soll etwas davon mein Beruf werden?

Ich glaube das Hobby zum Beruf zu machen ist keine leichte Sache. Was ist, wenn ich die Lust daran verliere? Vielleicht bin ich auch gar nicht so gut, wie ich denke. Also, wo liegen sonst meine Qualitäten? Meine Freunde sagen immer, ich habe bei allem einen Plan und mein bester Freund schwärmte immer von einer eigenen Firma in der Zukunft. Da ich immer bei der Sache, organisiert und strukturiert bin, scherzte er, dass ich seine Sekretärin werde. So kam mir der Gedanke, beruflich den Weg in die Verwaltung einzuschlagen. Und dieser Gedanke muss sich irgendwie festgefahren haben in meinem Kopf.

So bewarb ich mich also bei sämtlichen Behörden, unter anderem bei der Stadtverwaltung Cottbus und trat dem Bewerbungsverfahren entgegen. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie habe ich es geschafft, hier nun die Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte meistern zu dürfen. Die Zusage hatte mich unfassbar gefreut. Schon beim Bewerbungsgespräch, war ich überzeugt von dem freundlichen und familiären Feeling der Stadtverwaltung, weshalb ich umso glücklicher war, hier anfangen zu dürfen. Warum es dann letztendlich auch wirklich Cottbus geworden ist? Viele meiner Familienmitglieder sind Stück für Stück nach Cottbus gezogen, meine Freizeit verbringe ich hier, weil in Forst nicht viel zu machen ist und sonst gehen die Wochenenden drauf, um in der Fankurve bei Energie zu stehen. Somit war klar, mich zieht es nach Cottbus.

Im Leben kommen einem glaube oft die Momente, in denen man ohne Grund an allem zweifelt. Momente in denen man sich fragt: Will ich das? Bin ich dem gewachsen? Soll das mein Weg sein? Beantworten lassen sich diese Fragen manchmal ziemlich leicht mit Ja oder Nein. Oder man ist wie ich und vergießt schon vor Beginn der Ausbildung tausend Tränen, aus Angst falsche Entscheidungen zu treffen. Jetzt bin ich 18 und für mich allein verantwortlich. Auch das kann einen überfordern. Für mich beginnt jetzt der Ernst des Lebens, von dem unsere Eltern schon in der Grundschule sprachen. Aber die Wahrheit ist, auf manche Fragen gibt es keine Antwort, bevor man es nicht versucht hat und manchmal gibt es halt nur sich selbst im Leben. Manche Dinge muss man eben allein bewältigen. So beschloss ich also meinen Sommer zu genießen, mich zu entwickeln und einfach ich zu sein. Persönlich hat mir das so viel gebracht, denn ich habe viel für mich gelernt. Der Gedanke an die Ausbildung fiel dann tatsächlich erst ein paar Tage bevor es beginnen sollte. Aber nach diesem unglaublichen Sommer startete ich mit voller Motivation und Freude in etwas ganz Neues. Neue Leute, neue Umgebung, neue Aufgaben.

Die Nacht vor dem ersten Tag konnte ich vor Aufregung gar nicht richtig schlafen, weil man zuvor ja nicht genau wusste, was einen erwartet. Als wir uns alle im Soziokulturellem Zentrum das erste Mal kennenlernen konnten, verschwand meine Angst. Ich hatte das Gefühl, wir kamen alle super gut mit einander aus und nach den ersten Tagen wusste man schon ein bisschen, wie wer tickt. Zum Höhepunkt des ersten Tages fand eine kleine Veranstaltung im Konservatorium statt. Wir hielten endlich unsere Ausbildungsverträge in der Hand. Yeahhh!!! Spaß, viel besser fand ich die musikalischen Beiträge von Schülerinnen des Konservatoriums. Unglaubliche Stimmen, tolle Lieder, einfach Gänsehaut pur. Die Einführungswoche war sehr interessant und entspannt zum Anfang, um sich hier einzugewöhnen und in Ruhe anzukommen. Ich persönlich bin generell sehr interessiert an vielen Dingen, umso interessanter fand ich die Führungen bei der Feuerwehr und im Stadtmuseum. Am Spaßigsten war natürlich das Drachenbootrennen, bei dem zum Glück wir Azubis gesiegt haben. Ich denke damit war klar, wie ehrgeizig, kampfbereit und hartnäckig wir sind. In dieser einen Woche sind wir ein richtiges Team geworden.

So schön es auch zusammen war, so groß war auch irgendwo die Freude endlich in unseren Patenfachbereich gehen zu können, den wir am ersten Tag bereits erfahren haben. Mein Patenfachbereich ist die Feuerwehr. Ich muss gestehen, als ich es gelesen habe war ich verwirrt, weil ich mir nichts darunter vorstellen konnte, bei der Feuerwehr in der Verwaltung zu arbeiten. Nach der Führung habe ich immer mehr Lust darauf bekommen, weil ich gesehen habe, wie nett die Leute hier sind und weil ich ehrlich gesagt so fasziniert von der Feuerwache war, wie ein Kindergartenkind, dass ich es kaum erwarten konnte täglich hier hin gehen zu können. Manchmal kann man mich eben mit den einfachsten Sachen beeindrucken.

Meine ersten Tage und Wochen bei der Feuerwehr waren super aufschlussreich, da ich viel vom Konzept her gelernt habe. Abläufe, Techniken und Hintergründe habe ich besser verstehen können. Sogar Fragen aus meiner Kindheit haben sich beantwortet. Das soll es aber nicht gewesen sein, denn schließlich bin ich hier, um etwas zu lernen und zu arbeiten und nicht um Kindeheitsträume war werden zu lassen. Jedem den ich unter die Arme greifen konnte, habe ich geholfen. Davon mal abgesehen, wurde ich von Tag eins behandelt, als wäre ich schon immer da gewesen, was einem das Zusammenarbeiten immens erleichtert. Größtenteils bestand meine Aufgabe darin, Gebührenbescheide zu schreiben, Verordnungen nach den Krankenkassen zu sortieren, Ablage, Kostenersatzbescheide mit der damit verbundenen Annahme und Splittbuchung zu erstellen und vieles mehr. Täglich kam ich nachhause und habe meiner Mama alles erzählt, was ich gemacht habe und wie viel Freude es mir macht. Ein noch größeres Lächeln auf den Lippen hatte ich, als dann auch das Geld auf dem Konto war. Kleiner positiver Nebeneffekt. 😊

Neben der Praxis in der Feuerwehr gibt es in der Ausbildung natürlich auch einen theoretisches Teil. Abgesehen vom dienstbegleitenden Unterricht im Niederlausitzer Studieninstitut in Lübben, besuchen wir auch das Oberstufenzentrum in Madlow. Schule an sich war zwar noch nicht viel, hat mir aber bisher schon sehr viel Freude bereitet. Schon immer habe ich mich für Rechte und Gesetzgebungen interessiert. Wahrscheinlich war ich auch deswegen der Klugscheißer zuhause. Umso besser ist es jetzt natürlich, dass ich all das jetzt auch lernen kann in der Schule. Bisher hatten wir nur Einführungsthemen, um erst Mal ein Verständnis für diese ganzen komplizierten Sachen zu bekommen. Ich bin mir jedoch sicher, dass sich das große Fragezeichen im Kopf noch auflöst und wir Profis auf den verschiedensten Gebieten werden. Schließlich erwartet uns noch so einiges, worauf ich mich sehr freue.