Sehr geehrter Herr Platzeck, sehr geehrter Herr Lepsch, sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Freunde unseres Filmfestivals,

ich freue mich, Sie alle und bei den meisten kann ich sagen: wieder in Cottbus/Chóśebuz und zum Empfang des Oberbürgermeisters kurz vor der offiziellen Eröffnung begrüßen zu können. Dieses Jahr ist satt an Jubiläen, die uns feiern lassen, die aber gleichzeitig Anlass geben für eine differenzierte Rückschau auf jene noch sehr gegenwärtige Zeit im Sommer und Herbst 1989. Ich erinnere zuallererst an unsere polnischen Nachbarn und Freunde, die weit vor uns Wege in Freiheit und Selbstbestimmung ebneten und nicht nur das Muster für Runde Tische lieferten. Unser Blick nach Osten muss weit über das Filmfestival hinausgehen, ein umfassend europäischer Blick bleiben.

Jan Gloßmann

Ich erinnere weiter an die gefälschte Kommunalwahl in der DDR vom Mai 1989 und an die mutigen Frauen und Männer, die die Fälschungen publik machten. Ich erinnere an den Platz des Himmlischen Friedens in Peking, ich erinnere an den ersten Schnitt im Grenzzaun in Ungarn, an die Flüchtlinge in den Botschaften in Warschau und Prag, an die Demonstrationen in Plauen, Dresden und Leipzig mit dem 09. Oktober, ich erinnere an die erste Demonstration in Cottbus/Chóśebuz am 30. Oktober, an den 04. November in Berlin und natürlich den 09. November, den Tag des Mauerfalls.

Es folgen Jubiläen wie die Einrichtung der Runden Tische auch hier bei uns in Cottbus/Chóśebuz – das wird während des diesjährigen Festivals thematisiert –, erste Schritte der Demokratisierung in der Stadt und der Stadtverordnetenversammlung mit der Berufung von Waldemar Kleinschmidt zum Oberbürgermeister im Dezember 1989. All das hängt zusammen, und all das bereitete den Boden für die dann kommende Zeit. Wir gehen nun ins 30. Jahr, da mit dem Beitritt der DDR zum Grundgesetz die Vereinigung beider deutscher Staaten vollzogen wurde und sich wie zuvor mit der Währungsunion manch ein Traum erfüllte. Und wir gehen ins 30. Jahr des FilmFestivals Cottbus/ Chóśebuz, das damit ein Kind dieser Zeit ist.

Auch das FilmFestival zeugt vom Aufbruchsgeist der Umbruchzeit, es zeugt von den Freiheiten, Ambitionen, Hoffnungen und Wünschen. Und wenn es immer wieder heißt: Trau‘ keinem über 30, so werden wir uns doch noch hoffentlich lange Zeit an unserem Festival erfreuen.

Solche Institutionen erscheinen mir nötiger denn je. 1989 sollte uns noch diese Lehre mitgeben: Damals hielten viele das bestehende System für unüberwindbar, und es zerbrach dann doch. Wir sollten uns heute nicht zu sicher sein und denken, die Demokratie sei auf alle Zeit unüber-windbar. Das bedeutet, wir müssen sie schützen, denn sie ist es uns wert.

Und Schutz heißt neben Wehrhaftigkeit zuallererst, die Stärke der Demokratie in ihrer Vielgestaltigkeit zu wahren und als Vorzug ins Spiel zu bringen. Trotz aller Mühseligkeit solcher Prozesse. Wir wissen, dass es nicht funktioniert, Entscheidungen zu diktieren, sondern mögliche Lösungen zu diskutieren. Es bleibt wohl nur der Weg, uner-müdlich für Verständigung und Austausch zu sorgen. Wir sehen wie so oft auch als Krieg der Bilder, was im Nahen Osten geschieht, wir sehen auf diese Art, was zwischen der Türkei und Syrien entbrennt, und manches mehr aus der großen weiten Welt, die immer stärker auch in unsere kleine Heimat wirkt. Bei manchen läuft schon wieder der 2015er Film.

Zur Verständigung können wir im Kleinen unseren Beitrag leisten. Ich hatte in den vergangenen Monaten Gelegenheit, in Bosnien-Herzegowina Kontakte zu knüpfen und Gespräche über Kommunalpolitik und wirtschaftliche Entwicklung zu führen. Ich war zu Gast in unserer Partnerstadt Lipezk, um über wirtschaftlichen und wissenschaft-lichen Austausch zu sprechen. Gleiches ist das Ziel von Gesprächen, die ich gemeinsam mit unserer Entwicklungsgesellschaft mit der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin und dem dortigen Büro für Wirtschaft und Kultur hatte. Ich könnte mit vorstellen, dass der Vorsitzende des deutsch-russischen Forums da nichts dagegen hat.

Das sind in jedem Fall Chancen zur Verständigung und zu gegenseitigem Verstehen.

Wir hatten Gäste aus Targowischte in Cottbus/ Chóśebuz und waren dort zu Besuch. Wir feierten im September 60 Jahre Partnerschaft mit dem französischen Montreuil – auch ein Vertreter aus Saarbrücken war dabei, einem der Geburtshelfer unseres Festivals. Der Cottbuser Film-Treff hat sein ganz spezielles und eigenes Profil, und besetzt mehr als eine Nische. Es ist ein Informations-, Kultur- und Kennenlernen-Kanal in eine manchmal doch fremde und dann wieder altbekannte Welt, die des Ostens.

Kaum etwas anderes verfolgt Wandlungsprozesse in der Gesellschaft so feinfühlig, so vielfältig und mit überraschenden Sichtweisen wie unser Festival und seine Filme. Hätte es nicht längst seine Bestimmung gefunden, hier wäre sie. Das Festival hilft uns, als internationale Stadt wahrgenommen zu werden, als Stadt, die auf Zuzug aus dem Ausland angewiesen ist. Ich weiß, dass wir da noch viel zu tun haben, um diese Wahrnehmung zu stärken. Wir lassen uns das, das sei nur am Rande erwähnt, auch etwas kosten – im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir müssen aus dem, was da ist, möglichst viel machen. Das gilt für den Strukturwandel ebenso wie vieles andere.

Da Bernd Schiphorst leider nicht da sein kann, übernehme ich mal seinen Part. Das mit Hertha I und Energie wollen wir auch wieder hinbekommen. Das mit Hertha II ist uns nicht genug. Schön wär’s zumindest, auch wenn es derzeit ja das Berliner Derby gibt, wenn auch mit einigen wenig schönen Randszenen. Der FC Energie duelliert sich zunächst unter anderen mit Babelsberg, der Filmstadt. Das hat seinen zumindest Brandenburger Reiz.

Mit unserem FilmFestival blicken wir natürlich weit über die Landesgrenze hinaus. Das wird so bleiben, da bin ich mir mit Ihnen allen sicher, und darauf freue ich mich. Daher wünsche ich uns allen ein wunderbares Festival, einen reibungslosen Verlauf, spannende und aufrüttelnde Filme sowie entsprechende Gespräche darüber, und gern auch ein paar Feier-Tage in unserer Stadt. Das blaue Band ist geknüpft, es möge losgehen.