Dr. Markus Niggemann
Dr. Markus Niggemann
Stadt Cottbus/Chóśebuz

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

unter normalen Gegebenheiten würde ich Sie jetzt nicht explizit im neuen Jahr begrüßen. Das hätten wir bei unserem traditionellen Neujahrsempfang bereits getan, den wir aber leider absagen mussten. So darf ich die Gelegenheit heute nutzen und Ihnen sowie allen Cottbuserinnen und Cottbusern ein glückliches und vor allem gesundes neues Jahr wünschen.

Denn das Thema Gesundheit ist und bleibt in aller Munde – Corona hat uns weiterhin fest im Griff, sowohl im Alltag als auch im politischen Kontext.

Unsere Stadt ist in den zurückliegenden Wochen wieder zu einem bevorzugten Ort von Demonstrationen, Kundgebungen und so genannten Spaziergängen geworden. Im Dezember-Bericht der Stadtverordnetenversammlung habe ich in Vertretung des Oberbürgermeisters bereits ausführlich zum aktuellen Stand ausgeführt. Und auch Ordnungsdezernent Thomas Bergner hat im Dezember an gleicher Stelle umfangreich Bericht erstattet. Ich erwähne das deshalb nochmal explizit, weil es immer wieder heißt, es gebe keine Statements der Stadtspitze zum aktuellen Geschehen. Der Oberbürgermeister selbst hat auf die Ereignisse im Januar in Interviews mit dem rbb und mit Lausitz TV reagiert und gegenüber der LR Stellung bezogen.

Überall ist die Botschaft eindeutig: Das Versammlungsrecht ist wie das Recht auf freie Meinungsäußerung ein besonders hohes Gut im Grundgesetz. Das gehört zur Demokratie. Entsprechend ist dies vom Staat zu gewährleisten und zu schützen. Und das unabhängig davon, ob das dort Gesagte jemanden passt oder nicht – solange es sich im Gesetzesrahmen abspielt, muss die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewährt sein.

Dabei habe ich Verständnis dafür, dass die Polizei als Versammlungsbehörde abwägen muss, wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit – sprich: der Infektionsschutz – zu bewerten sind. Die Polizei ist in den vergangenen Wochen mit Fingerspitzengefühl und einer insgesamt deeskalierenden Strategie vorgegangen. Und trotzdem gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei. Von einigen der Spaziergänger sind immer wieder die demokratischen Spielregeln umgangen worden. In vielen Fällen sind keine Anmeldungen und keine Versammlungsleitungen anzeigt worden. Es ist klar, dass eine zuständige Behörde solche Rechtsbrüche nicht hinnehmen kann. Ansonsten wird das Vertrauen derer geschädigt und verspielt, die darauf bauen, dass Recht und Gesetz eingehalten und durchgesetzt werden. Auf eine solche Konfrontation setzen Wortführer und schrauben die Empörungsspirale bewusst immer höher.

Klar ist auch: Wer an diesen Versammlungen teilnimmt, weiß genau, wer diese vorbereitet und für sich medial nutzt. Jede und jeder trifft also eine bewusste Entscheidung, mit wem sie oder er mitläuft oder wen man mitlaufen lässt, ohne sich deutlich zu distanzieren. Geht es noch um Corona oder das Impfen? Es wird gezielt zum Widerstand gegen den demokratischen Staat aufgerufen. Es ist von „Staatswillkür“ oder einem „totalitären Regime“ die Rede, übrigens auch auf Facebookseiten von Verantwortlichen einer Partei, die hier in der Stadtverordnetenversammlung sitzt.

Es werden Polizisten attackiert, Ordnungskräfte beleidigt, Journalisten bepöbelt, angegriffen und – wie man hört – später in einer Gaststätte ausgrenzt. Das alles darf nicht einfach so hingenommen werden. All das gehört zur Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates, die auf diesen Versammlungen immer offener zur Schau gestellt wird und leider teilweise von rechtsextremen Mitläufern genutzt wird.

Wir dürfen uns aber nichts vormachen. Der Rechtsextremismus bleibt in all seinen Auswüchsen und Erscheinungsformen ein Problem in unserer Stadt und damit auch für den Strukturwandel. Für die Stadt Cottbus/Chóśebuz ist ein demokratisches, durch Akzeptanz und Vielfalt geprägtes Miteinander ein wesentliches Ziel und die Voraussetzung für eine positive gesellschaftliche Entwicklung. Diskriminierung, Rassismus, Intoleranz, Menschen- und Demokratiefeindlichkeit sind nicht akzeptabel. Wir wollen eine weltoffene Stadt sein.

In der Stadt Cottbus/Chóśebuz sind nach Angaben des Verfassungsschutzes Brandenburg seit mehreren Jahren Entwicklungen im Bereich Rechtsextremismus zu beobachten, die regional und organisatorisch einen übergeordneten Kontext haben.

Angesichts dessen sind wir aufgefordert, gemeinsam zu handeln, im Alltag, in der Gesellschaft und in der Politik. Daher wurde durch die Verwaltung ein Positionspapier zur Entwicklung eines Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus erstellt. Das Konzept umfasst zwei unterschiedliche Handlungsrichtungen. Zum einen werden verwaltungsinterne Prozesse beschrieben und entsprechende Interventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung entwickelt. Zum anderen werden Maßnahmen benannt, welche unter Beteiligung der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure in der Stadt in einem fortlaufenden Prozess erarbeitet und umgesetzt werden sollen. Gemeinsam mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Vereinen, Organisationen, Initiativen, Behörden und Politik wollen wir ein Frühwarnsystem für die Stadt Cottbus/Chóśebuz aufbauen.

Diese Handlungsrichtungen gehören zu einem Prozess, der begleitet, gemeinsam organisiert und gemanagt werden muss. Dazu wird ein Lenkungsstabes eingerichtet. Innerhalb des Lenkungsstabs soll ein regelmäßiger vertraulicher Informationsaustausch über die aktuelle Lage und innere Sicherheit, betreffend der Entwicklung rechtsextremistischer Handlungen, in der Stadt erfolgen. Zum Lenkungsstab gehören der Staatssekretär und Amtschef des Innenministeriums, der Leiter des Verfassungsschutzes Brandenburg, der Oberbürgermeister der Stadt Cottbus/Chóśebuz, der Dezernent für Ordnung und Sicherheit, der Polizeipräsident des Landes Brandenburg, der Leiter der Polizeidirektion Süd sowie die Leitende Oberstaatsanwältin und ein Oberstaatsanwalt.

Die erste Sitzung des Lenkungsstabes fand am 06.01.2022 statt. Neben der Vorstellung des Handlungskonzeptes und der Beschreibung eines aktuellen Lagebildes durch die Teilnehmer, wurde auch ein entsprechender Arbeitsplan für das Jahr 2022 vorgestellt und diskutiert. Der jetzt vorliegende Arbeitsstand wurde durch die Teilnehmer des Lenkungsstabes als sehr gut bewertet und soll eine wichtige Grundlage bei der weiteren Ausrichtung der kontinuierlichen Arbeit gegen die rechtsextremistische Szene in der Stadt Cottbus/Chóśebuz sein. Allein diese Tatsache hat dem Vernehmen nach Einiges an Reaktionen in der Szene ausgelöst.

Wir wurden von den beteiligten Landesbehörden hervorgehoben für unseren neuen, gemeinsamen Ansatz. Dabei achten wir genau darauf, dass die Dinge erstmal Wirkung entfalten. Ankündigungen gibt es schon genug. Wir werden weiterhin kontinuierlich, abgestimmt und konsequent gemeinsam arbeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Hauptausschuss hat zwar die Vorlage zum Standort Stadtpromenade heute nicht auf die Tagesordnung genommen. Dennoch darf ich kurz auf das Thema, das uns alle bewegt, eingehen. Ich möchte hier betonen, dass die Stadtverwaltung wie immer zu Gesprächen bereit ist. Wir ergänzen dieses Angebot: Der Fachbereichsleiter Bauordnung Peter Nitschke und Stadtoberrechtsrat Marek Pambor stehen für die kommenden Fraktionssitzungen für Ausführungen zum Sachstand, für weitere Informationen und Nachfragen zur Verfügung. Machen Sie davon bitte umfangreich Gebrauch, um das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Es mag manchen als Randnotiz erscheinen, aber Cottbus/Chóśebuz war im zurückliegenden Jahr die Stadt im Land Brandenburg, in der die meisten Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt worden sind. Natürlich kann man alles besser und schneller machen. Aber wir sollten unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen, vor allem mit Blick auf den Strukturwandel und seine Herausforderungen für uns als Stadt.

Einige Fraktionen fordern in einem Antrag, der Ihnen heute vorliegt, Dialogangebote für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist für uns weder neu noch überraschend. Ich will nochmals in Erinnerung rufen, dass wir 2018/2019 in einer Serie von fast 30 thematischen bzw. Stadtteildialogen ein umfassendes öffentliches Gesprächsangebot unterbreitet haben. Diese Veranstaltungen wurden meistens sehr gut angenommen. Diese Dialogformate sind unter den Einschränkungen der Pandemie und der Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg derzeit kaum umsetzbar. Dennoch konnten wir auch 2020 und 2021 mehrere Jugenddialoge durchführen. Wir hatten öffentliche Ortsteilrundgänge in Kahren und in Schmellwitz. In allen Formaten ist auf kommunaler Ebene allerdings die Dialogführung schwierig, wenn es sich um bundes- und landespolitische Themen bzw. Zuständigkeiten handelt. Natürlich freue ich mich auf Ihre Ideen und Anregungen zu Veranstaltungen und Angeboten, die Sie natürlich gern selbst umsetzen können. Wir kommen an den aktuellen Regelungen der Eindämmungsverordnung aber nicht vorbei. Das macht die Dialog-Veranstaltungen schwierig bis unmöglich – darauf hatte ich im Dezemberbericht bereits verwiesen. Es gab und gibt bewährte Formate, so zum Beispiel die Bürgersprechstunden beim Oberbürgermeister, wenn möglich die Ortsteilrundgänge bzw. die dazugehörigen Videotreffen. Um jedoch die Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, braucht es Geduld. Unter Corona-Bedingungen ist das derzeit nicht machbar. Auch eine für Februar geplante Einwohnerversammlung in Kahren muss in Abstimmung mit dem Ortsbeirat verschoben werden, um allen Interessierten die Gelegenheit zur Teilnahme ermöglichen zu können.

Aber wir versuchen die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt auch anders zu erreichen.

Wir haben mit dem „Cottbuser Podcastkutscher“ ein neues Format eingeführt, in dem der Oberbürgermeister und Mitglieder der Rathausspitze mit verschiedenen Gesprächspartnern als Schwerpunkt kommunale Themen beleuchten. Dort wurde unter anderem umfangreich zu Corona und den Folgen informiert. Gewiss, das ist kein klassisches Dialogangebot, aber es dient durchaus dem Gedankenaustausch.

Wir bereiten – das möchte ich an dieser Stelle gern anmerken – eine Podcast-Folge zum 15. Februar vor. Wir haben zwei Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs dazu eingeladen sowie Robert Büschel von den Stadtgeschichtlichen Sammlungen. So können wir sicherstellen, dass der 15. Februar und die Bombardierung von Teilen unserer Stadt im Jahr 1945 auch ohne traditionelle Kundgebung im Bewusstsein verankert bleibt. Wir können in diesem Format erinnern und mahnen, dass die Verantwortung und die Schlussfolgerungen aus dem Geschehen des Zweiten Weltkrieges bis ins Heute reichen. Sie betreffen auch die kommenden Generationen, um wachsam zu bleiben und die Demokratie zu verteidigen. Ich möchte zusätzlich auf das Videostatement des Oberbürgermeisters anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus und des Holocaust am 27. Januar verweisen sowie auf seine Unterzeichnung des jüngst initiierten Aufrufs „Brandenburg zeigt Haltung“.

Ich möchte noch auf zwei wichtige Initiativen aufmerksam machen. Da ist zum einen der am gestrigen Dienstag der Öffentlichkeit präsentierte I-Walk durch unsere Stadt. Thema dieses interaktiven Rundgangs ist die Geschichte der Juden und die Geschichte der Judenverfolgung in unserer Stadt. Zudem werden Kinder aus der Erich-Kästner-Grundschule am morgigen Donnerstag an den Stolpersteinen in unserer Stadt Blumen niederlegen und die Messingplatten säubern. Die Aktion war auch Thema im Unterricht, und ich kann nur sagen: Danke sehr!

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Sicherung unseres bedeutsamsten kulturhistorischen Erbes, des Pücklerschen Parkensembles, konnten noch im alten Jahr zwei weitere Meilensteine gesetzt werden.

So konnte nach intensiven Abstimmungen und Gesprächen mit der Erbengemeinschaft der Grafen Pückler ein unbefristeter Leihvertrag über die der Erbengemeinschaft gehörenden Kunst- und Kulturgüter in Branitz geschlossen werden. Damit steht auch künftig dieser Teil des kulturellen Erbes in Branitz weiterhin uneingeschränkt für die öffentliche Präsentation und die publizistische sowie wissenschaftliche Erschließung zur Verfügung. Immerhin wird das Branitzer Schloss mittlerweile seit 75 Jahren museal genutzt. Geregelt ist das bereits in einer Rechtsverfügung der damaligen Provinzialregierung Brandenburg vom 22. April 1947.

Der Stiftungsvorstand der Branitzer Stiftung, Dr. Stefan Körner, konnte zudem den Notarvertrag über den Besitzübergang des Geländes der ehemaligen GPG-Gärtnerei Forster Straße an die Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz unterzeichnen. Nun kann mit finanziellen Mitteln des Bundes der Ausbau der Baumuniversität auf diesem Gelände noch in diesem Jahr mit vorbereitenden Arbeiten starten. Ein wichtiger Bereich des Branitzer Außenparks wird zurückgewonnen.

Und demnächst soll eine weitere Weiche gestellt werden. Wir werden eine Vorlage in den Hauptausschuss einbringen, um die Wiesen- und Waldpartien des Vorparks zwischen Damaschkeallee, Spreeauenpark, Stadtring und Pyramidenstraße, also das stadtseitige Entrée in die Pücklersche Parklandschaft, im Zuge eines Neuzuordnungsverfahrens auf die Branitzer Stiftung zu übertragen. Damit werden dann, bis auf den südwestlichen Außenparkteil zwischen Tierpark und dem Ortsteil Branitz – Kiekebuscher Straße und Spreedamm, alle im öffentlichen Eigentum befindlichen, historisch als Ornamental Farm gestalteten Flächen unter dem Dach der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz vereint und fachgerecht betreut.

Und da wir gerade bei Traditionen sind, sei mir abschließend noch diese Anmerkung gestattet. Am vergangenen Donnerstag hätte der Zapust der sorbisch-wendischen Jugend stattfinden sollen. Die Schülerinnen und Schüler des Niedersorbischen Gymnasiums haben mit Blick auf die Einschränkungen durch Corona von sich aus entschieden, den Umzug zu verschieben. Sie wissen, dass der Zapust nicht irgendeine Tradition ist. Ich finde, die Schülerinnen und Schüler haben eine schwierige, aber sehr reife Entscheidung getroffen. Reifer als vieles, was man so in und aus der Stadt in diesen Tagen hört. Und das macht Hoffnung.

In diesem Sinne: Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund!

(Es gilt das gesprochene Wort.)