Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

Jan Gloßmann

es sind wohl die glücklicheren Tage eines Oberbürgermeisters, wenn wir wie heute erst eine junge Einser-Generation erleben und danach gute Freunde und verlässliche Partner aus europäischen Städten zu Gast haben.

Neben dem Jubiläum unserer Städtepartnerschaft gibt es in diesen September-Tagen ein weiteres, das mir wichtig ist zu erwähnen. Vor 50 Jahren ging hier in Cottbus/Chóśebuz ein großes und seinerzeit hochmodernes Textilkombinat in Betrieb. Bauzeit: neun Monate, Verkauf der Produkte unter anderem an Quelle. Sie erinnern sich vielleicht. Ich will jetzt und hier nicht für Präsent 20 werben. Das TKC existiert schon mehr als 20 Jahre nicht mehr. Auf einen Schlag waren damals gut 4.000 Arbeitsplätze futsch. Eine traditionsreiche Branche aus unserer Stadt, verschwunden nahezu über Nacht.

Sicher war da nicht alles Gold was glänzte. Doch es ist nicht einfach nur ein Ossi-Jammern, wenn auf diese Zeit zurückgeschaut wird. Die Menschen in unserer Stadt und in der Lausitz haben einen solchen Strukturbruch also schon einmal durch. Möge sich niemand wundern über Ängste und Befürchtungen, dass es noch einmal so kommen könnte. Möge sich niemand die Augen reiben über Wahlergebnisse und über das darin zum Ausdruck kommende Misstrauen.

Vertrauen wieder zu gewinnen oder überhaupt erstmal wieder Zugang zu den Leuten zu bekommen, das ist sicher die wichtigste Aufgabe derer, die das Label „etablierte Partei“ angeklebt bekommen haben. Sie sitzen in der Bundesregierung, und sie verhandeln in Potsdam und Dresden über neue Koalitionen.

Aus meiner Sicht sind zwei Dinge dringend nötig:

Zum einen muss der Staat zeigen, dass er verlässlich arbeitet und sowohl bei den alltäglichen Aufgaben als auch den unvorhersehbaren Herausforderungen handlungsfähig ist. Das betrifft die Reparatur eines Gehweges ebenso wie die Ausstattung der Justiz, die Sozialleistungen ebenso wie den Nahverkehr.

Zum anderen muss der Strukturwandel vorangetrieben werden. Was gebraucht wird, ist eine verbindliche Absicherung durch einen Staatsvertrag, damit geklärt ist, dass die Zusagen auch über die Amtszeit einer Bundesregierung hinaus gelten.

Die Regierungsprogramme sollten aus unserer Sicht recht schlicht überschrieben werden: „machen, machen, machen“. Es liegen für die Lausitz und für Cottbus/Chóśebuz viele gute Ideen und Vorschläge auf dem Tisch. Sie müssen umgesetzt werden, und das verlässlich, zügig, ohne Abstriche, ohne neue Debatten.

Es ist nicht recht nachvollziehbar, warum erst ein schmerzhafter Kompromiss mühsam ausgehandelt wird und sich anschließend Leute hinstellen und Kompromisse fordern. Diesen Kompromiss gibt es, und nach ihm sollte gehandelt werden. Er heißt: Kohleausstieg bis 2038, das ist der kleinste gemeinsame Nenner in der Kohlekommission, der sowohl die Versorgungssicherheit als auch den Klimaschutz, der sowohl die gegenwärtige Wirtschaftsstruktur als auch den bereits eingeleiteten Wandel in unserer Region berücksichtigt.

Nun wird in den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Brandenburg über einen Ausstieg bis 2035 gesprochen. Wer jedoch drei Jahre früher aus der Kohle raus will, der muss dafür Sorge tragen, dass die Alternativen – der Ausbau der Infrastruktur, die Ansiedlung von Jobs und anderes mehr – ebenso drei Jahre früher zur Verfügung stehen. Wir brauchen dringend deutlich kürzere Planungsprozesse, schnellere Entscheidungen, weniger Auflagen, die bremsen und höheren Aufwand bedeuten, und vor allem ein zügiges Umsetzen.

Was mir in den Sondierungspapieren deutlich zu dünn wegkommt, sind die Kommunen. Hier fehlt vor allem eine klare Aussage, dass die Kommunen mehr Geld bekommen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das gilt vor allem für diverse Ankündigungen für die kostenlose Kinderbetreuung oder den öffentlichen Nahverkehr. So wünschenswert das ist, es handelt sich zum Teil um freiwillige Leistungen der Kommunen, und als verschuldete Stadt dürfen wir da bekanntermaßen nicht mehr Geld ausgeben. Auch das sind wir den jüngeren Cottbusern schuldig. Hier muss in den Verhandlungen noch viel nachgearbeitet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle merken ja nicht nur in den so genannten sozialen Medien, dass der Ton schärfer wird. Auch in den ersten Ausschuss-Sitzungen gab es teils harsche Worte, die nicht immer von der Sache und den Inhalte getragen waren, sondern persönlichen Attacken gleichkamen. Wir wissen auch, wie schwierig es ist, berechtigte Kritik in durchaus harten Worten von unflätigen Beleidigungen zu trennen – damit tun sich ja sogar Gerichte schwer, wenn sie über Grenzen der Meinungsfreiheit entscheiden. Man greift sich fassungslos an den Kopf, was eine Politikerin wie Renate Künast sich laut einem Urteil des Landgerichts Berlin gefälligst anzuhören habe.

Ich möchte das nochmals betonen: Wir sollten hier kein Gegeneinander konstruieren, sondern gemeinsam an Lösungen und Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt arbeiten. Dazu gehört Streit, keine Frage. Aber bitte Streit in der Sache mit durchdachten Argumenten und möglichst ohne provozierende Wortwahl.

Im Oktober werden wir den zweiten Teil des versprochenen Jugenddialogs durchführen. Er findet am 22. Oktober im Foyer des Piccolo-Theaters statt. Wir werden dort ein anderes als das bisher gewohnte Format testen. Am 12. November treffen wir uns in der Oberkirche, wo wir mit Zeitzeugen an die Tage des politischen Umbruchs von 1989 und 1990 erinnern. Selbstverständlich stehen der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Reinhard Drogla und ich auch für die gewohnt offenen Gespräche und Fragen zur Verfügung. Im kommenden Jahr wollen wir mit unterschiedlichen Angeboten wieder stärker in die großen Stadtteile gehen. Diese Dialogangebote sollen gewohnte Möglichkeiten wie die Ortsteilrundgänge oder andere Info-Veranstaltungen ergänzen. Und, ich habe es bei der Gala des Bundes deutscher Karneval am Sonnabend bereits gesagt: Wir sollten nicht nur mehr miteinander reden, sondern auch wieder mehr miteinander lachen. Das hilft über manche Klippe hinweg.

Unser Ziel ist es, miteinander im Gespräch zu bleiben, uns auszutauschen und den einen oder anderen wieder aus den Blasen herauszuholen, die sich in sozialen Medien gern und schnell bilden. Es ist nicht unser Anspruch, uns gegenseitig zu bestätigen in dem, was wir bereits wissen, sondern wir wollen offen sein für andere Auffassungen, neue Ideen, abweichende Lösungen. Zu dieser Offenheit gehört jedoch auch, einzuschätzen und darüber zu informieren, was real umsetzbar ist einschließlich der zu erwartenden Kosten.

Denn unsere wichtigste Aufgabe bleibt ein solider, genehmigungsfähiger Haushalt, der uns allerdings weiter größte Sparanstrengungen abverlangt. Wir müssen runter vom Schuldenberg, gerade in der Niedrigzinsphase.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem Elbenwald-Festival kommt eine hochkarätige Veranstaltung nach Cottbus. Die Kommentare in den sozialen Medien zeigen bereits ein großes Interesse vieler Leute. Unsere Stadt rückt damit positiv in den Blick, und dafür bin ich der Ur-Cottbuser Firma Elbenwald sehr dankbar. Doch nicht nur das – solch ein Bekenntnis zur Heimat tut uns einfach gut und sollte uns auch ein bisschen stolz machen. Wir werden das Festival im Spreeauenpark nach Kräften unterstützen. Und wir liebäugeln gemeinsam mit einer Zukunft des Elbenwald-Festivals am Ostsee, denn das wäre eine Hausnummer auch im Strukturwandel und für die Ostsee-Entwicklung.

Zum Abschluss möchte ich Sie noch auf einen weiteren glücklichen Umstand dieser Tage aufmerksam machen. Das Cottbuser Kindermusical feiert am kommenden Wochenende seinen 50. Geburtstag. Die Cottbuserinnen und Cottbuser haben dieses Markenzeichen der Kinder unserer Stadt in ihr Herz geschlossen. Und das ist die wohl schönste Anerkennung, die in Cottbus/Chóśebuz zu vergeben ist.

(Es gilt das gesprochene Wort.)