Die Reihe der Cottbuser Heitmatkalender wird auch 2021 fortgesetzt
Die Reihe der Cottbuser Heitmatkalender wird auch 2021 fortgesetzt
Jan Gloßmann

Heimatkalender sind Jahrbücher, die Heiteres, Nachdenkliches und Beschauliches aus der Geschichte und Gegenwart einer Region enthalten. Gerade in der Niederlausitz fördern meist ehrenamtlich tätige Lokalhistoriker und Hobbyforscher Interessantes ans Tageslicht. In Luckau, Guben, Lübben und Calau erscheinen spannende Kalender. Der Stog, das Jahrbuch aus dem Spreewald, hat einen festen Platz bei den Heimatfreunden. In dieser Reihe steht auch der Cottbuser Heimatkalender, der 1987, vor 33 Jahren, erstmalig wieder erschien. Im Vorwort der ersten Ausgabe heißt es noch trocken: „Aus der dynamischen Entwicklung unserer Bezirksstadt zur Heimstatt der Bergund Energiearbeiter resultierend, besteht gegenwärtig eine wesentliche Aufgabe darin, den neuen Cottbusern die Geschichte unserer Stadt nahezubringen.“

Neben verschiedenen Jahrbuch-Vorläufern hatte es in Cottbus zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine stattliche Anzahl heimatgeschichtlicher Veröffentlichungen gegeben. Daran knüpften engagierte Cottbuser an und gaben 1954 und 1956 Heimatkalender heraus. Die liebevoll gestalteten Bändchen waren ganz wesentlich vom Nestor der Cottbuser Heimatforschung Walter Drangosch geprägt. Zwar finden wir in der 1954er Ausgabe ein markiges Stalin-Zitat. Ansonsten sind beide Jahrbücher erstaunlich unpolitisch. Kurt Elze plaudert über einheimische Pflanzen, Herbert Scurla schreibt über den „armen Karl Blechen“ und Walter Drangosch nimmt sich das Jubiläum „800 Jahre Cottbus“ vor. Mit beiden Heften stießen die Kalendermacher in den Fünfzigern jedoch nicht auf empfängliche Ohren bei den Kulturverantwortlichen. Mit der Ehrung von Persönlichkeiten aus der Vergangenheit tat man sich zunächst schwer. Im Bezirk Cottbus gab es eine regelrechte Kampagne gegen den Junker und Ausbeuter, als in einer Bad Muskauer Schule ein Singspiel zu Ehren des Fürsten Pückler einstudiert worden war.

Das änderte sich natürlich ein Vierteljahrhundert später, als deutlich wurde, dass allein mit dem antifaschistischen Widerstandskampf keine Staatstradition zu begründen war. Die DDR ging auf die Suche nach historischer Legitimierung. Mit Luther und dem Preußenkönig Friedrich II. kam auch Hermann von Pückler-Muskau wieder zu Ehren. Und das ging nicht ohne ideologische Verrenkungen ab. Der zuständige Staatssekretär würdigte 1985 auf der Festveranstaltung zu Pücklers 200. Geburtstag in Cottbus die Parkanlagen „als Teil der sozialistischen Nationalkultur“. Sie machten stolz auf die Leistungen vergangener Generationen, die „trotz Unterdrückung und Ausbeutung und trotz Befangenheit in Standes- und Klassengrenzen zu großen Gedanken und Leistungen fähig waren“.

Diese Suche nach historischer Legitimierung führte 1979 zur Gründung der Gesellschaft für Heimatgeschichte. Dadurch entstand gleichzeitig ein gewisser Freiraum für Lokalhistoriker. Das diese Entwicklung 1987 zum Erscheinen des ersten Cottbuser Heimatkalenders neuerer Zeitrechnung führte, ist in erster Linie Hans-Hermann Krönert zu verdanken. Der Journalist und Pücklerkenner Krönert setzte gemeinsam mit dem Ehepaar Liersch und Christian Lehm das Werk von Walter Drangosch fort.

Bemerkenswert ist, dass der Kalender die politische Wende erneuert überstand.

Der Cottbuser Heimatkalender gehört heute zu den erfolgreichen Konstanten in einer modernen Stadt, die vom ständigen Wandel geprägt ist. Seit 1987 erscheint das Bändchen in ununterbrochener Reihenfolge. Hier wird seit mehr als drei Jahrzehnten der Bogen vom alten Cottbus in die Gegenwart geschlagen und dem Gedanken Heinrich Heines nachgespürt: „Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener will.“ Die Gestalter des Festumzuges „850 Jahre Cottbus“ hatten mit den damals zwanzig Ausgaben ein grundlegendes Fundament in den Händen. Gleichzeitig ist der Heimatkalender ein gern genutztes Hilfsmittel im Unterricht und hat auch den hauptberuflichen Historikern Einiges zu erzählen.

Das Wichtigste ist aber vielleicht die eher unsichtbare Wirkung des Jahrbuches. Die Leser erfahren von dem Mut und der Verzweiflung der Menschen, die früher zwischen Wintergarten und Bonnaskenplatz, zwischen Spreeaue und Brunschwig lebten. Sie lesen von den großen und den dunklen Stunden einer Stadt, an der die großen Ströme der Geschichte vorbeigegangen sind. Der Kalender erzählte von der Vernichtung der jüdischen Gemeinde und vom 15. Februar 1945, als der Krieg nach Cottbus zurückkehrte. Nachlesen kann man dort auch, dass der 17. Juni 1953 in Cottbus weder ein faschistischer Putsch noch ein Volksaufstand war.

In diesem besonderen Jahr 2020 muss wegen der Corona-Regeln die traditionsreiche Präsentation des Jahrbuches ausfallen. Auf den Kalender brauchen die Cottbuser Freunde der Heimatgeschichte jedoch nicht verzichten. Oberbürgermeister Holger Kelch schreibt in seinem Vorwort. „Der Kalender bietet wieder eine Vielfalt an Beiträgen. So wird an den 150. Todestag des Gartenkünstlers, Schriftstellers und Reisenden Fürst Hermann von Pückler gedacht. Zwei Beiträge befassen sich mit der Spreewehrmühle, die 2020 ein neues Mühlrad bekam. Erinnert wird auch an den Bau und die Inbetriebnahme des ersten Flugplatzes in Cottbus. Naturwissenschaftliche Beiträge und ein Text zur sorbischen Kunstgeschichte in Cottbus finden sich im Kalender wieder. Besonderes Interesse wird sicherlich der Beitrag von Peter Lewandrowski über Peter Model finden, der sich mit dessen Rede zum ersten Jahrestag des Mauerfalls beschäftigt.“

Der neue Heimatkalender ist ab sofort in den Cottbuser Buchhandlungen und an Zeitungskiosken zum Preis von 6 Euro zu haben. In der Zeit der Corona-Einschränkung von Kontakte ist die Lektüre des kleinen Bändchens sicher eine willkommene Abwechslung.