Zwanzig Jahre nach erster freier Kommunalwahl: Kommunale Selbstverwaltung stärken – Appell zur Finanzlage

Mit den ersten freien Kommunalwahlen am 6. Mai 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR begann der erfolgreiche Aufbau einer kraftvollen kommunalen Selbstverwaltung. Das erklärte der Deutsche Städtetag nach einer Konferenz der Oberbürgermeister der Städte in den neuen Ländern am vergangenen Freitag in Wismar. „Die Kommunalpolitiker der ‚ersten Stunde’ haben sich voller Idealismus und voller Motivation an die Aufgabe gemacht, für die Städte und ihre Bewohner viel zu bewirken und die Dinge vor Ort wieder selbst in die Hand zu nehmen. Die Städte in der ehemaligen DDR haben erfolgreich die Chance genutzt, sich von staatlicher Bevormundung zu befreien“, sagte Dr. Rosemarie Wilcken, stellvertretende Präsidentin des Deutschen Städtetages und seit fast 20 Jahren Bürgermeisterin der Hansestadt Wismar. „Jeder Besucher in unseren Städten kann sehen, wie viel wir auch dank der Mittel aus dem Solidarpakt erreicht haben, etwa bei der Sanierung in den Innenstädten oder im Umweltschutz“, erklärte Frau Wilcken weiter.

Vielerorts sei es gelungen, Schlüsseltechnologien anzusiedeln und hochkarätige Bildungsstandorte zu entwickeln. Einige Städte müssen gleichzeitig die Herausforderungen der demografischen Entwicklung meistern, wie Abwanderung und Alterung. „Zum Ausruhen bleibt auch im Jubeljahr keine Zeit. Gerade in Zeiten immer knapper werdender Kassen setzen wir uns dafür ein, den kommunalen Handlungsspielraum zu sichern und zu stärken“, erläuterte Wismars Bürgermeisterin.

Finanzlage ostdeutscher Städte mit Risiken – Appell zur Verbesserung der Kommunalfinanzen

Viele ostdeutsche Städte spüren die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise und verbuchen seit dem vergangenen Jahr wieder sinkende Einnahmen bei gleichzeitig steigenden Ausgaben vor allem im Sozialbereich. Für das laufende Jahr rechnen die Städte mit weiter sinkenden Einnahmen. Insbesondere die Steuereinnahmen sanken 2009 in den ostdeutschen Kommunen um fast 10 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro und werden voraussichtlich 2010 um weitere 1,7 Prozent zurückgehen.

Die Oberbürgermeister der ostdeutschen Städte appellierten deshalb eindringlich an die Bundesregierung, die Finanzlage der Kommunen im Zuge der Arbeit der Gemeindefinanzkommission nachhaltig zu verbessern. „Die Städte brauchen vor allem eine spürbare Entlastung bei ihren Aufgaben und Ausgaben“, sagte Dr. Rosemarie Wilcken: „Die Vorschläge zur Abschaffung der Gewerbesteuer sind untauglich zur Lösung unserer Probleme. Wir brauchen eine solide Finanzbasis, um Schulen und Kindergärten sanieren und betreiben zu können, die kommunale Infrastruktur zu verbessern sowie die Abfallentsorgung und den öffentlichen 􀀱ahverkehr für die Bürgerinnen und Bürger in guter Qualität anbieten zu können. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben.“

Kritik übten die Städte an Zuschlägen der Kommunen auf die Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer, wie sie die FDP als Ersatzelemente für die Gewerbesteuer vorschlägt. Dazu erklärte Monika Kuban, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und Finanzdezernentin des Deutschen Städtetages: „Die Körperschaftsteuer ist in der Krise noch viel stärker eingebrochen als die Gewerbesteuer. Und Zuschläge auf die Einkommensteuer müssten die Bürgerinnen und Bürger zahlen. Steuerlasten von Unternehmen auf Einwohner zu verlagern, halten wir für den falschen Weg."

Zur Finanzlage der Städte in den neuen Ländern berichtete Frau Kuban, dass die Einnahmen der Kommunen in Ostdeutschland 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent auf 28,6 Milliarden Euro gesunken seien. Durch weiter sinkende Zuweisungen von Bund und Ländern infolge der Wirtschaftskrise und schon beschlossene Steuererleichterungen werden die Einnahmen in Jahr 2010 trotz einer leichten Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation deutlich zurückgehen.

Im Jahr 2009 sind die Kosten der sozialen Leistungen der Kommunen in Ostdeutschland um rund 170 Millionen Euro (2,8 Prozent) gestiegen, so Kuban weiter. Für 2010 rechnen die Städte mit einem weiteren Zuwachs. Vor allem die stetig wachsenden Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit stellen ein immenses finanzielles Risiko für die Kommunen in Ostdeutschland dar. Ursache dafür sind die häufig unterbrochenen Erwerbsbiografien und die Ausweitung des Niedriglohnbereiches, die das Rentenniveau mittelfristig sinken lassen sowie die demografische Entwicklung.