Oberbürgermeister Holger Kelch
Oberbürgermeister Holger Kelch
Jan Gloßmann

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,

Cottbus/Chóśebuz ist im Gespräch. Das klingt gut, weil es viele gute Gründe dafür gibt. Ich denke da an den Strukturwandel – einiges haben wir im Projekt „Starke Schiene“ soeben debattiert -, ich denke an den Ostsee, die sanierte Stadt, die Stadtentwicklung überhaupt. Und ich blicke mit Zuversicht auf das morgen beginnende Turnier der Meister im Turnen, das den Weltcup und damit die internationale Elite in unsere Stadt holt. Es zeugt vom Mut der Organisatoren des Vereins SCC Turnen und der vielen Helfer und Unterstützer, sich auch durch widrige Umstände nicht unterkriegen zu lassen. Das traditionelle Turnier bringt Cottbus/Chóśebuz viele Aufmerksamkeit durch die Übertragung der Wettkämpfe im Netz.

Und doch verläuft dieses „Im Gespräch sein“ oft nicht so, wie wir uns das wünschen oder vorstellen. Man konnte das in der vergangenen Woche ganz gut in einer TV-Reportage sehen. Mit manchen ist leider nicht oder nicht mehr zu reden. Dennoch zeichnen auch diese Leute dann ein Bild unserer Stadt, und das auf deutschlandweit empfangbarer Bühne.

Es braucht also gute Ideen und einiges an Fingerspitzengefühl, um den Dialog wieder aufzunehmen. Für morgen haben verschiedene Gruppierungen, Fraktionen und Institutionen hier vor die Stadthalle geladen zum Austausch. Wir werden zu dem Thema nachher im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag sicher noch weiter reden. Eines aber geht dabei nicht: Wir können den Themen der Bürgerschaft nicht ausweichen, indem wir von vorn herein erklären, dass beispielsweise über Corona nicht geredet wird. Das können wir gemeinsam besser. Es ist ja gerade unser Dialogansatz, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern ihre Fragen nicht verbieten, sondern dass wir ihnen zuhören und so ins Gespräch kommen. Denken wir zurück an die Veranstaltungen ab dem Frühjahr 2018: erstes Thema war damals der Zuzug von Flüchtlingen, die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die Probleme der Integration, das Zusammenleben in der Stadt. Auch darüber war lange nicht geredet worden. Übrigens wurde auch damals von Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Da haben wir zugehört, habe vieles ertragen in den Veranstaltungen – und haben doch in gewisser Weise zueinander gefunden oder genauer: ins Gespräch. Erst nach diesen Stadtteil-Dialogen haben wir die Dialoge mit thematischen Schwerpunkten fortgesetzt.

Wir müssen uns also den Themen stellen, die die Bürgerschaft wünscht. Es ist an uns, diese Gespräche auf einer sachlichen und faktenorientierten Basis laufen zu lassen. Emotionen bleiben zwar nicht aus. Sie sollten aber nicht die Gespräche diktieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die richtigen Gesprächspartner dabei sind, also Bundespolitiker für Entscheidungen des Bundes, Landespolitiker für die des Landes.

Diese Dialogveranstaltungen sind ein guter Gradmesser für das, was die Leute bewegt. Das kann, muss aber nicht der Strukturwandel sein oder andere Dinge, die wir für wichtig halten. Sie erinnern sich sicherlich an das bewegendste und drängendste Thema aus dem Bürgerdialog im vergangenen Jahr am Rande der Filmnächte in Schmellwitz. Da ging es um das Zusammenleben im Wohnviertel, im Wohnaufgang, um das Einhalten von Regeln, um die Müllentsorgung, um Lärm im Haus, um das Verhalten eines Vermieters und letztlich die gegenseitige Toleranz. Das bleibt eins der dringendsten Themen unserer Tage unter dem großen Stichwort Integration. Und gerade dabei werden uns erneut Knüppel zwischen die Beine geworfen. Es ist völlig unbefriedigend, dass die Landesregierung die finanzielle Unterstützung dafür deutlich zu Ungunsten der Stadt Cottbus/Chóśebuz auf Landkreise umverteilt, die bisher Ihrer Verantwortung für Aufnahme und Integration kaum nachgekommen sind und Integrationsbemühungen bei uns somit wieder infrage gestellt werden. Dabei waren wir uns alle einig, dass Integration eine Aufgabe von Generationen ist. Sie muss allerdings auch dauerhaft finanziert werden.

Die Landesregierung hat jedoch die Mittel für die Integrationsarbeit zunächst um 30 Prozent gekürzt und dabei eigene Zusagen wieder aufgehoben. Im Jahr 2021 hat Cottbus/Chóśebuz noch 848.100 Euro bekommen. Wir haben nach der im letzten Jahr angekündigten 30-prozentigen Kürzung noch mit 593.670,00 gerechnet und bekommen jetzt nach der neuen Richtlinie nur noch 224.280,00 Euro. Das ist nur noch ein Viertel der Summe des letzten Jahres. Ein besonders fatales Zeichen der neuen Richtlinie ist die Berechnungsgrundlage. Sie sieht eine Verteilung nach der Aufnahmequote vor und nicht nach den tatsächlich in den Kommunen lebenden Menschen. Das ist aus unserer Perspektive integrationspolitischer Unsinn.

Ich habe mich mit einem Brief an den Ministerpräsidenten, an die zuständige Fachministerin sowie den Vorsitzenden des damit befassten Landtags-Ausschusses gewandt. Sie haben diesen Brief ebenfalls erhalten. Wir haben dort sehr genau aufgelistet, welche Integrationsansätze künftig nicht mehr finanzierbar sind. Ich will sie auch hier nochmals nennen. Es betrifft die Sprachmittlung im Gesundheitswesen, die Kulturmittlung an Schule, die Sprachmittlung in der Verwaltung, die Unterstützung des Geflüchteten-Netzwerkes, die Integration durch Sport, die vom Stadtsportbund bzw. der Brandenburgischen Sportjugend betrieben wird, die Beratung für ausländische Fachkräfte sowie die Sprachförderung an vier Kitas, vier Horten und drei Grundschulen.

Um gemeinsam im Gespräch zu bleiben, braucht es Sprache. Man könnte daher auch sagen, hier geht’s ans Eingemachte. Das können wir nicht zulassen. Ich kann nur nochmals dringend appellieren, dass die Regierungsfraktionen hier aktiv werden und diese Kürzungen stoppen. Denn aus den Fehlern der Jahre nach 2015 kann man ja lernen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Situation in der Ukraine beunruhigt uns alle. Krieg oder Diplomatie? Die derzeitige Eskalation wird nicht ohne Auswirkungen auf uns bleiben. Dennoch oder gerade deshalb ist es wichtig, weiter im Gespräch zu bleiben, und das auf allen Ebenen. Je mehr man redet, desto weniger schießt man aufeinander. Als Kommunalpolitiker können wir Gesprächsfäden knüpfen, beispielsweise im Rahmen unserer Städtepartnerschaften. Wir könne Menschen zueinander bringen. Denn es geht um Verständigung und Gesprächsbereitschaft, um die eher kleinen Dinge einer Städtepartnerschaft, den kontinuierlichen Austausch. Es ist unsere kommunale Möglichkeit, auf letztlich gemeinsame Werte wie Frieden, Freiheit und Demokratie zu drängen. Diesen Ansatz unterstützt der Deutsche Städtetag ausdrücklich.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir müssen uns also ins Gespräch bringen. Und das immer wieder neu. Am kommenden Montag starten wir die neue Kampagne, um vor allem Fachkräfte für Cottbus/Chóśebuz zu begeistern. Die Kampagne nennt sich Boomtown Cottbus. Ja, so selbstbewusst wollen wir sein. Und wir wagen etwas. Endlich haben wir einige lokale Partner unmittelbar mit im Boot, und wir rudern in die gleiche Richtung. Wir können niemanden von unserer Stadt und ihren Entwicklungsmöglichkeiten überzeugen, wenn wir selbst nicht überzeugt sind. Die Boomtown-Kampagne, die gestern auch den Medien vorgestellt worden ist, wird ein Vorläufer sein für die große Imagekampagne für die Lausitz, mit der wir uns als gemeinsame Wirtschaftsregion im Wandel voraussichtlich ab Herbst zielgerichtet ins Gespräch bringen werden. Das ist gut für Cottbus/Chóśebuz und die Lausitz, in der ja eher weniger geredet und lieber mehr gemacht wird. Anfang März wird der Bauvertrag für das neue Cottbuser Bahnwerk unterzeichnet. In gut drei Wochen werden wir zudem den Infopunkt am Hauptbahnhof eröffnen.

In einer Zeit, die Symbole und Zeichen braucht, sind dies keine schlechten Botschaften.

Ich danke für Ihr Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort.)